Beschützerin des Hauses by Marlene Klaus

Beschützerin des Hauses by Marlene Klaus

Autor:Marlene Klaus
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Dryas Verlag
veröffentlicht: 2016-02-23T16:00:00+00:00


Der Donner rollte über sie hinweg. Barbara hatte sich noch nie vor Gewitter gefürchtet. Was war sie schon nass geworden, wenn der Himmel seine Tore öffnete, es war nicht das erste Mal. Aber diesmal spielte sich der Donner mächtig auf. Obwohl sie den Kopf des Regens wegen gesenkt hielt, stolperte sie über eine Wurzel. Sie fiel in eine Mulde und schrie auf, als ihr etwas in den Oberschenkel stach. Die Sichel. Sie setzte sich auf und sah, dass ihr Gewand rechts auf Höhe des Oberschenkels eingerissen war. Sie fluchte leise, als sie den nassen Stoff nach oben schob. Der Kälte wegen trug sie noch immer wollene Beinlinge unter dem Gewand. Die wollte sie jetzt wahrlich nicht ausziehen. Aber dort, wo die Sichel ins Fleisch gefahren war, breitete sich auf dem Wollstoff ein länglich-roter Fleck aus. Über ihr hob das Grollen von neuem an, trieb den Regen prasselnd herunter, ein wütender Herold, ausgeschickt von seinem Herrn, dem mächtigen Donner. Wind zerrte an den Wipfeln.

Sie musste sich in Sicherheit bringen. Weg von den Bäumen. Als sie sich erhob, nass und verdreckt, sog sie scharf Luft ein. Sie hielt den Rock oben, ein neuer Schwall Rot tränkte den Beinling. Der Schnitt schien tiefer zu sein, als sie dachte. Ob sie die Wollenen doch ausziehen sollte? Aber hier würde sie kein Johanniskraut finden, vielleicht Gundelrebe, aber was nützte es, sie bräuchte die Tinktur – und die war zu Hause. Schöne Heilerin bist du, dachte sie mürrisch. Kannst dich nicht mal selbst versorgen. Sie humpelte aus der Mulde heraus. Wo war Westen? Schwer auszumachen in dieser dunkelgrünen Düsternis. Sie zog den Kopf zwischen die Schultern. Als sie ihn wieder hob, sah sie weiße waagrechte Blitze am Himmel. Krachender Donner folgte auf dem Fuße. Sie stolperte voran. Wie weit war sie von Schloss Wersau entfernt? Eine Wegstunde? Die Hütte musste näher sein. Also los. Sie konnte nur vorsichtig mit dem rechten Bein auftreten. Der Regen peitschte hart, sie begann zu frieren. Und jetzt mischte sich auch noch Hagel darein. Diese Gewalt hat etwas Nährendes … wild-Befruchtendes, dachte sie und fand diesen Gedanken im selben Atemzug völlig unpassend. Sie stolperte voran. Das Licht änderte sich. Es wurde klarer. Scharf zeichneten sich die Umrisse der Äste und Stämme ab. Sie humpelte weiter. Regentropfen hingen an den Zweigen und leuchteten wie grüne Glasperlen. Gleich hast du's geschafft, redete sie sich zu. Da schimmerte die Hütte auch schon zwischen den Stämmen hindurch. Sie humpelte voran, darauf bedacht, das Bein nicht zu sehr zu belasten. Mit einem Seufzer der Erleichterung stieß sie die Tür auf.

Und erstarrte auf der Schwelle, als aus dem Dämmer ein erstickter Aufschrei erfolgte.

Eine Gestalt an der hinteren Schmalseite sprang auf, griff hastig nach etwas am Boden und rief: „Bleibt dort!“

Barbara roch feuchtes Stroh und nasses Holz. Ihre Hand griff von selbst nach der Sichel. Die Gestalt trat zwei Schritte auf sie zu, zog sich rasch das vom Boden aufgehobene Wams über.

Sie erkannte ihn im selben Augenblick wie er sie.

„Philipp?“

„Frau Heilmann?“

Sie fragten es gleichzeitig. Erneut ein kleiner Aufschrei von der Strohschütte im Eck, begleitet von Rascheln.



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