Berlin Underground by Wachlin Oliver G

Berlin Underground by Wachlin Oliver G

Autor:Wachlin, Oliver G. [Wachlin, Oliver G.]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783960411468
Herausgeber: Emons
veröffentlicht: 0101-01-01T00:00:00+00:00


31 »WARUM DAS GEL?«, frage ich den Kollegen, als wir eine Stunde später frisch geduscht und in riesige Handtücher gehüllt am Küchentisch sitzen. Denn davon hatte ja unser Totengräber, der Rechtsmediziner Professor Dr. Graber, gesprochen: von den Resten einer Substanz, eines Pflegemittels, mit der die Haare der Toten gegelt worden waren. »Warum hatte die Tote dieses Gel im Haar?«

»Weil sie noch nicht lange auf der Straße lebte.« Hünerbein schmiert sich sein sechstes Brötchen und verschlingt nacheinander alle Lebensmittel, die auf dem Tisch stehen. Sämtliche Wurst- und Käseaufschnitte, Marmeladen- und Nutella-Gläser, alles wird fein säuberlich geleert und aufgezehrt. »Du hast doch die beiden Achtziger-Jahre-Unterweltler gehört: ›Die war neu bei der Treberhilfe. Kannte sich nicht aus.‹«

Ja, denke ich, für eine Treberin sei die Tote zu gepflegt gewesen, das hatte auch der Totengräber schon zu bedenken gegeben. Keine Läuse, keine Schuppen, keine schmutzigen Fingernägel.

»Und deshalb auch das Gel im Haar«, schmatzt Hünerbein hungrig, »die hatte sich eine Frisur gemacht. Das war ein Rest aus besseren Zeiten.«

Ich weiß nicht so recht. »Und wenn das Ganze nur eine Verkleidung war?«

Hünerbein stutzt und sieht mich an. »Was meinst du?«

»Die Frau wurde umgebracht«, überlege ich laut, »irgendwer muss also hinter ihr her gewesen sein. Weil sie das weiß, versteckt sie sich in der Obdachlosenszene. In der Hoffnung, zu entkommen.«

»Kühne These«, findet Hünerbein und gießt sich Kaffee nach. »Du meinst also, die hat sich das Gel in die Haare geschmiert, um ungepflegter zu wirken?«

»Ja.« Die Idee gefällt mir immer besser. »Sie besorgt sich im Secondhandladen einen alten Daunenmantel, schmiert sich Gel ins Haar, damit es fettig aussieht, und taucht in die Obdachlosenszene ab. Weil ihr irgendwer ans Leder will.«

»Aber wer?«

»Keine Ahnung. Ein enttäuschter Liebhaber, die Russenmafia, was weiß ich?«

»Die Russenmafia?«

»Sie hat schlecht Deutsch gesprochen«, erinnere ich ihn, »mit slawischem Akzent.«

»Dann könnte es auch eine illegale Einwanderin gewesen sein«, erwidert Hünerbein kauend, »eine, die sich vor den Behörden oder ihrer drohenden Abschiebung versteckt.«

»Du warst doch bei den Ämtern. Irgendwas rausbekommen?«

»Noch nicht.« Hünerbein lehnt sich zurück. »Die hatten das nicht sofort parat, müssen erst die entsprechenden Akten zusammensuchen. Ämter halt!«

Schweigend sehe ich auf den kleinen Plastikeimer mit dem heißen Seifenwasser auf dem Spültisch. Darin habe ich alles eingeweicht, was in unseren Jacken- und Hosentaschen war, meinen Schlüsselbund und den kleinen Bartschlüssel, der bei der Toten gefunden worden war, Hünerbeins Taschenmesser – sein Schlüsselbund samt Taschenlampe war ihm ja in der Kanalisation abhandengekommen –, dazu Brillen samt Etuis, mein Feuerzeug, einen kleinen Kamm – na gut, den könnte man auch entsorgen –, Hünerbeins Handy und vor allem – wie anklagend es mich anstarrt – das teure medizinische Gerät zur Blutdruckmessung …

Es schließt an der Wohnungstür, und Monika kommt in die Küche gefegt. Offenbar hat sie die Kinder in die Schule gebracht.

»Morgen, äh …« Sie starrt perplex auf den dicken Hünerbein, der in seinem bunten Badetuch wie ein Buddha am Küchentisch hockt. »Oh, Harry!«

»Morgen, Monika«, grinst Hünerbein, »freut mich auch, dich zu sehen.«

»Sorry, ich hab’s total eilig.« Monika rennt wieder aus der Küche heraus. »Ich hab meine Autoschlüssel hier irgendwo liegen lassen.



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