Berühmt sein ist nichts by Daniela Strigl
Autor:Daniela Strigl [Strigl, Daniela]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Residenz
veröffentlicht: 2016-02-28T16:00:00+00:00
In den besten Jahren
Zu jener Zeit befindet sich Marie von Ebner-Eschenbach, wie sie es einst in Aus Franzensbad mit der Härte der Jugend ausgedrückt hat, in den »besten Jahren, nämlich in denen, welche kommen, wenn die guten vorbei sind«. Ihr Umgang mit dem Altern ist dabei nicht nur von Koketterie geprägt. In ihr Tagebuch trägt sie, noch nicht 45-jährig, ein: »Es ist keine gute Zeit für mich. Übergangszeit ins Alter.« An ihrem 45. Geburtstag notiert sie, ihre Nichte Elisabeth, die Tochter Fritzis, habe sie »ernsthaft u. ganz erschrocken« gefragt: »Mein Gott was könnten wir denn thun daß Du jünger wirst?!« Zu ihrem Körper, den sie vor allem als Störfaktor bei der Arbeit wahrnimmt, hat die Dichterin nach wie vor nicht das beste Verhältnis. Nicht auf die Inspiration kommt es ihr beim Schreiben an, stellt sie eines Tages fest, denn bleibt der Kopfschmerz aus, so ist sie sogleich zur Arbeit aufgelegt: »Alles physisch. Und was bilden wir uns ein, wir – Geister!«57
Auf Kur in Kissingen lässt sie sich wiegen und notiert ein Gewicht von 126 Zollpfund und 200 Gramm, umgerechnet 65 Kilo. So häufig und detailliert Marie Ebner über ihr körperliches Befinden Buch führt, so gründlich bleibt alles Indezente, also Sexuelle, selbst aus dem Tagebuch ausgeblendet. Die Wechseljahre finden nur indirekt ihren Niederschlag, als diffuses Unbehagen und Unwohlsein. Nur einmal äußert die Tagebuchverfasserin sich 1877 offen dazu – mit bezeichnender Bewertung: »Schon 2mal sind die Regeln fast ausgeblieben, es scheint sich also, Gott sei Lob u. Dank der ersehnte Wechsel einzustellen!« Im Jahr darauf heißt es jedoch: »Nach der Reise haben sich gewisse Dinge mit großer Heftigkeit eingestellt.« Im Kontext des Tagebuches ist es allerdings sehr gut möglich, dass in beiden Fällen nicht von der Verfasserin, sondern von ihrer Schwester Fritzi die Rede ist.58
Im Juli 1876 fährt Marie Ebner mit der Eisenbahn nach Schloss Trpist nahe Pilsen zu ihrer Schwester Friederike. Im Coupé bekommt sie einen Krampf, wird ohnmächtig, fällt vom Sitz und renkt sich den rechten Arm aus, verletzt sich auch an der Stirn. Statt sich in Trpist um die unter Herzbeschwerden leidende Fritzi kümmern zu können, ist Marie selbst Patientin. Der Arm wird ohne Narkose peinvoll eingerenkt, zwei Wochen lang hat sie starke Schmerzen und kann nicht schreiben. Marie Ebners Blutarmut wäre eine mögliche Erklärung für die Ohnmacht. Betrachtet man aber mit Georg Groddeck jeden Schwindelanfall als »eine Warnung des Es« vor dem realen und dem moralischen Fall, so verliert Marie Ebners Sturz seine Unschuld. Und dann ist es noch der rechte Arm, der dabei verletzt, die rechte Hand, die in Mitleidenschaft gezogen wird: die »Hand des Schaffens, der Autorität, des Rechtes und des Guten«. Welche Begierde ist es, die durch den ausgerenkten Arm vergehen soll? Wohl die Begierde zu schreiben, die, folgt man diesem Erklärungsmodell, das Es mit Scham verbindet und die zu verleugnen Marie Ebner sich über Jahrzehnte anerzogen hat. Die Dichterin selbst zieht in einem Aphorismus die Verbindungslinie zwischen dem Schreiben und dem Eros: »Wer von Schaffensfreude spricht, hat höchstens Mücken geboren.« Zielt dies auf den
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