Bemerkungen ... auf seiner Reise um die Welt ... by Georg Forster

Bemerkungen ... auf seiner Reise um die Welt ... by Georg Forster

Autor:Georg Forster
Format: epub
Tags: report
Herausgeber: Haude und Spener


So Vater Homer – Wenn man der Lebensgeschichte des Pierre Viaud Glauben beymessen darf, so wird man darinn sehen, wie weit die Wuth des Hungers den elenden Menschen treiben kann, und wie leicht alle feinere Empfindungen der Menschlichkeit vor seiner schrecklich-unüberwindlichen Gestalt entfliehen. Diese Lebensgeschlchte ist übrigens durch so viele ehrwürdige Zeugnisse bekräftigt, und von Personen, die dem Verfasser eben nicht Ursache zu schmeicheln hatten, für authentisch erklärt worden, daß die größte Wahrscheinlichkeit für ihre Aechtheit da ist..

Ich habe aber auch hinreichende Gründe, anzunehwen, daß alle Bewohner der verschiedenen Inseln im Südmeere, selbst in dem glücklichsten fruchtbarsten Erdstriche, wo die Hauptnahrung in Früchten besteht, und die Bevölkerung so ansehnlich ist, nichts desto weniger, vor Zeiten, Menschenfresser gewesen sind. Die Einwohner der Insel Tanna gaben uns mehr als einmal zu verstehen, daß, wenn wir uns ohne ihre Bewilligung zu weit ins Land wagten, sie uns tödten, den Leib aufschneiden und fressen würden. Ja, als wir mit Fleiß diesen Theil ihrer Rede misverstanden, und ihn so auslegten, als ob sie uns etwas gutes zu essen vorsehen wollten; so überführten sie uns durch Zeichen, welche keiner Misdeutung fähig waren, daß sie von unsern Armen und Beinen mit ihren Zähnen das Fleisch herunterreißen würden.

In Mallikollo hatten wir ebenfalls Anzeigen, daß die Einwohner Menschenfresser sind. Die Taheitier pflegten uns oft von Inseln zu erzählen, wo Menschenfresser wohnten; z. B. von einer bergigten Insel Mannua, jenseits Tabuamanu, »deren Einwohner nur wenige Kähne besäßen, aber sehr wild und unbändig wären, wilde grimmige Augen hätten, und Menschen fräßen.« Zuletzt sagten sie uns, daß sie selbst (die Taheitier) ehedem Menschen gefressen hätten, und nannten daher ihre cannibalischen Vorfahren: Tahe-ai, d. i. Menschenfresser. Die Neuseeländer und Taheitier gehören übrigens zu einer und derselben Rasse von Menschen; woraus zu folgen scheint, daß das Menschenfressen ein gemeinschaftlicher Gebrauch aller mit einander verwandten Stämme gewesen ist. War aber dies der Fall bey Völkern, die zwischen den Wendekreisen einen Ueberfluß an Lebensmitteln besitzen, so wird daraus nur immer wahrscheinlicher, daß Hungersnoth, weder dort noch in Neuseeland, diese gräuliche Gewohnheit veranlasset haben könne.

Ein Blick auf die ganze Verfassung ihres gemeinen Wesens zeigt uns, daß der Grund dieser und aller andern Abscheulichkeiten, denen sie sich überlassen, in ihrer frühesten Erziehung liege. Die Freyheit, worin die Knaben heranwachsen, ohne von den Vätern im Zaum gehalten zu werden, wird zuletzt zu einer unbändigen Ausgelassenheit. Der unabhängige Geist der in diesen Jungen herrscht, muß, ihrem Bedünken nach, auf keinerley Weise gedämpft werden; er ist die Seele ihrer Gesellschaft. Daher darf die Mutter ihr Kind nicht schlagen, so boshaft und unlenksam es immer seyn mag. Bald erwächst aus dieser Zügellosigkeit ein jähzorniges Gemüth, welches keinen Widerstand erdulden, und kein Wort anhören will, sobald es, nach ihrer Art zu denken, übel ausgelegt werden kann. Die Leidenschaft erhitzt sie dergestalt, daß sie ungeduldig sind, bis sie Rache üben können, und die Einbildungskraft, die so wenig als ihre übrigen Kräfte Ziel und Maaß leidet, macht aus jeder Beleidigung ein Hauptverbrechen, welches nur mit dem Blut des Thäters wieder gut gemacht werden kann. Jetzt



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