Bei Schlechtwetter bleiben Eidechsen zu Hause by Nadine Kegele

Bei Schlechtwetter bleiben Eidechsen zu Hause by Nadine Kegele

Autor:Nadine Kegele [Kegele, Nadine]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Czernin Verlags GmbH
veröffentlicht: 0101-01-01T00:00:00+00:00


DER KUCHENBAUM HÄLT NICHT, was er verspricht, Nora blickt in die Krone, eine Kuchenfrucht trägt er nicht. Sie senkt den Kopf und probt die Atmung, die sie von der Füchsin kennt. An der Nase vorbei und direkt in den Hals. Sie probt die Atmung, die sie von Ruth kennt, Ruth kuriert sowohl Flugangst damit als auch Liebeskummer. Nora atmet tief in den Bauch.

Vor der Bank geht ein Junge auf und ab und spielt Jo-Jo. Seine Schwester sagt: Jo-Jo ist was für Mädchen. Dem Jungen ist das egal. Unbedarft spielt er weiter. Die Mutter brüllt eine Sprache ins Telefon, die Nora nicht kennt. Nora hatte keine Ahnung, dass Jo-Jos noch in Mode sind. Und Hula-Hoops? Wie der Reifen um ihre Hüfte geschwungen war und höher und sie den Reifen beinahe bis zum Hals hinauffedern konnte, er an der knochigen Schulter den Schwung verlor und zu Boden fiel.

Du bist so ein Mädchen, sagt die Schwester zu ihrem Bruder.

Vielleicht wäre ein Jo-Jo etwas für Maresa, denkt Nora und versucht, nicht an die Brüder zu denken, dann nicht an die Mutter, und die Mutter ist vielleicht bereits aufgewacht, aber sie will es nicht wissen, es interessiert sie nicht, sie ist vom Erdboden verschluckt.

Eine alte Frau schiebt sich im Slalom an Kindern und Mutter vorbei, so selbstverständlich, als ginge sie Bäumen aus dem Weg, die seit Jahrhunderten an diesen Stellen wurzeln. Der Buckel, der auf ihren Schultern sitzt, zwingt sie dazu, nur die eigenen Füße zu sehen. Es ist nicht leicht, aufrecht zu gehen, denkt Nora, die lange genug gekrochen war. Yogitee hatte einmal gesagt, Glück ist ein Menschenrecht. Sie hatte den Zettel, der am Beutel hing, vorgelesen und die Füchsin hatte gesagt: Ich weiß.

Das Jo-Jo fliegt an seiner Schnur durch die Luft, runter, rauf, runter, rauf, psychedelisch und bunt, runter, rauf, runter.

Sie wickeln einen Faden um Ihre Kindheit, lassen sie von der Brücke baumeln, aber lassen nicht los.

Nora war wütend geworden.

Wütend ist leichter als traurig, tut Ihnen aber länger weh.

Ich weiß, dass ich mich um mich selbst kümmern kann, hatte Nora gesagt, ich brauche keine Mutter dazu, der man nicht trauen kann.

Wer ist man?, hatte die Kaiserin gefragt.

Aber ich kann niemandem eine gönnen, die besser ist, war Nora darüber hinweggegangen.

Halten Sie das Gefühl aus, schlagen Sie niemanden K.O. damit.

Der Bus schnaubt, als er vor der Bank zu stehen kommt und sich zum Gehsteig neigt. Die Mutter drängelt ihre Kinder hinein, der Junge schnappt das Jo-Jo geschickt während des Flugs in die offene Hand, die Türen schließen sich, der Bus fährt ab. Nora greift in ihrer Tasche nach der Karte mit dem Pierrot, die sie im Museumsshop gekauft hatte. Er grinst sie an, ein Schelm, Nora grinst zurück, das fühlt sich gut an, auf einer Bank sitzen, grinsen, einfach so, der Pierrot wandert in die Tasche zurück.

Und Ihr Vater?, hatte die Kaiserin gefragt.

Was ist mit ihm?

Wofür geben Sie ihm die Schuld?

Der war nicht da.

Der war nicht da, um Fehler zu machen, hatte die Kaiserin gesagt.

Sie holt den Pierrot erneut hervor, sie grinst, er auch, und der Bus fährt aus der Haltestelle Kuchenbaum hinaus.



Download



Haftungsausschluss:
Diese Site speichert keine Dateien auf ihrem Server. Wir indizieren und verlinken nur                                                  Inhalte von anderen Websites zur Verfügung gestellt. Wenden Sie sich an die Inhaltsanbieter, um etwaige urheberrechtlich geschützte Inhalte zu entfernen, und senden Sie uns eine E-Mail. Wir werden die entsprechenden Links oder Inhalte umgehend entfernen.