Beenschäfer by Kurt David

Beenschäfer by Kurt David

Autor:Kurt David
Die sprache: deu
Format: epub


„Da wunderst du dich wieder." Der Alte schob seine Deckelmütze ins Genick und kratzte sich in dem Büschel weißer Haare. „Wir gehen zu den Holzfällern, Peter. Und wenn wir unser Brot dort überm Feuer rösten wollen, brauchen wir Draht." „Und wann gehen wir, Herr Schäfer?" „Punkt neun Uhr Abmarsch", sagte er, salutierte wie ein Soldat und zwinkerte mit dem rechten Auge. Und danach marschierte er das lange Leinewebergässel hinunter. Peter sah ihm noch eine Weile nach. Zum ersten mal beobachtete er aufmerksam, wie der Alte sein steifes Bein Schritt für Schritt nachzog und die Fußspitze jedesmal eine Rinne in den Schnee grub.

In Peters Kopf wirbelten Freude und Überraschung durcheinander. Er konnte und konnte nicht begreifen, weshalb ihn der Mann nicht tüchtig ausschimpfte. Gerade das Gegenteil war eingetreten: Eingeladen hat er mich, eingeladen. In den Wald nimmt er mich mit. Zu den Holzfällern. Na ja, dachte Peter, die Erwachsenen machen meist alles anders, als wir denken.

Der Dorfkonsum war ein feiner Selbstbedienungsladen. Aufgeregt, wie Peter war, vergaß er am Eingang das Körbchen. Er packte Mehl, Zucker und Schuhcreme sofort in seine Einkaufstasche. Nun brauchte er nur noch Draht, Er suchte die Regale ab. Aber nirgendwo war Draht zu finden.

„Haben Sie keinen Draht, bitte schön?" fragte er die Verkäuferin.

„Draht?" Die Verkäuferin schaute auf die übrigen Kunden. Und alle blickten nun auf Peter. Was hatte der verlangt? „Draht? Wozu denn? Wir sind ein Lebensmittelkonsum", sagte die Verkäuferin.

„Zum Brotaufspießen!" antwortete Peter.

Die Verkäuferin lachte. Sie hatte noch nie Brot auf Draht gespießt. Plötzlich entdeckte sie, daß Peter die Ware in die Einkaufstasche getan hatte. „Sag mal, was fällt dir ein. Sofort holst du dir ein Körbchen." Peter errötete verlegen und gehorchte. Nun fragte er auch nicht mehr nach Draht. Als er ging, rief die Verkäuferin: „Geh in die Schmiede, die geben dir welchen." Auf dem Nachhauseweg überlegte Peter, weshalb es im Lebensmittelkonsum keinen Draht gäbe. Sie verkaufen doch auch Bürsten, Fliegenfänger und Gesichtswasser, dachte er. Und wenn ich nach Draht frage, lachen sie mich aus.

Zu Hause erzählte er der Mutter von der Begegnung mit Herrn Schäfer. „Er nimmt mich morgen in den Wald mit. Zu den Holzfällern?" ■

„So? Da kannst du dir aber etwäs drauf 'einbilden, Peter!"

Wie war denn das nun wieder zu verstehen? Hatte Beenschäfer etwa heimlich der Mutter etwas von der Humpelheinrich-Geschichte erzählt? Sollte er fragen, weshalb er sich etwas darauf einbilden konnte? „Na ja, ich meine: Herr Schäfer hat noch nie ein Kind mit in den Wald genommen. Alte Leute ärgern sich nicht mehr gern mit Kindern herum."

„So." Also hatte Beenschäfer nichts erzählt. „Und warum nimmt er gerade mich mit, Mutti?" bohrte Peter weiter.

Die Mutter lächelte. „Ja, weißt du, Peter, die alten Leute sind oft klug durch ein langes Leben. Sie kennen die Menschen ganz genau. Auch die Kinder, Peter. Und vielleicht hat dich Herr Schäfer oft beobachtet, ohne daß du es gemerkt hast und davon weißt. Und vielleicht warst du nett zu ihm, hast den alten Mann immer schön gegrüßt. Das merken sich solche

Leute. Und nun nimmt er dich mit in den Wald.



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