Baum der Nacht by Truman Capote

Baum der Nacht by Truman Capote

Autor:Truman Capote
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Roman
Herausgeber: Kein & Aber AG
veröffentlicht: 2013-06-27T04:00:00+00:00


DAS SCHNÄPPCHEN

Mehrere Dinge an ihrem Ehemann ärgerten Mrs. Chase. Zum Beispiel seine Stimme: Er hörte sich immer an, als biete er bei einem Pokerspiel. Seine desinteressierte schleppende Art zu sprechen war zum Verzweifeln, insbesondere jetzt, da sie mit ihm telefonierte und selbst vor Aufregung schrill klang. »Natürlich habe ich schon einen, das weiß ich. Aber du verstehst nicht, Schatz – das ist ein Schnäppchen«, sagte sie, das letzte Wort betonend, und machte eine Kunstpause, damit es seine magische Wirkung entfalten konnte. Simple Stille trat ein. »Du könntest ruhig etwas sagen. Nein, ich bin nicht in einem Geschäft, ich bin zu Hause. Alice Severn kommt zum Mittagessen. Ihr gehört der Mantel, von dem ich dir zu erzählen versuche. Du erinnerst dich sicherlich an Alice Severn.« Sein kurzes Gedächtnis war ein weiteres Ärgernis, und obwohl sie ihn darauf hinwies, dass sie Arthur und Alice Severn früher in Greenwich häufig gesehen hatten, sie sogar bei sich zu Gast gehabt hatten, gab er vor, den Namen nicht zu kennen. »Ist ja auch egal«, seufzte sie. »Ich will mir den Mantel ohnehin nur anschauen. Dann guten Appetit, Schatz.«

Später, als sie an den peniblen Wellen ihres aufgehellten Haares herumzupfte, musste Mrs. Chase einräumen, dass es eigentlich keinen Grund gab, warum sich ihr Mann noch deutlich an die Severns erinnern sollte. Dies wurde ihr klar, als sie, mit mäßigem Erfolg, versuchte, ein Bild von Alice Severn heraufzubeschwören. Da, sie hatte es fast: eine frische, schlaksige Frau, unter dreißig, und immer in einem Kombiwagen unterwegs, begleitet von einem Irischen Setter und drei entzückenden goldroten Kindern. Es hieß, dass der Ehemann trank; oder war es umgekehrt? Außerdem waren sie angeblich nicht kreditwürdig, zumindest erinnerte sich Mrs. Chase, einmal von unglaublichen Schulden gehört zu haben, und irgendjemand, vielleicht sie selbst?, hatte gesagt, Alice Severn sei einfach zu bohemienhaft.

Bevor sie nach Manhattan zogen, hatten die Chases ein Haus in Greenwich bewohnt, was für Mrs. Chase sehr eintönig war, da sie den Anflug von Natur dort nicht mochte und die Freuden der New Yorker Schaufenster vorzog. In Greenwich waren sie, auf Cocktailparties, am Bahnhof, hin und wieder den Severns begegnet, mehr war eigentlich nicht gewesen. Wir waren nicht einmal befreundet, befand sie, etwas überrascht. Wie es häufig der Fall ist, wenn man unvermutet von einem Menschen von früher hört, noch dazu jemandem, den man in einem anderen Zusammenhang kannte, hatte sie spontan ein Gefühl der Intimität empfunden. Nach reiflicher Überlegung erschien es jedoch höchst merkwürdig, dass Alice Severn, die sie seit über einem Jahr nicht gesehen hatte, anrief und einen Nerzmantel zum Kauf anbot.

Mrs. Chase ging kurz in die Küche, um eine Suppe und einen Salat zum Mittagessen zu bestellen: Es kam ihr nie in den Sinn, dass nicht jeder Mensch Diät hielt. Sie füllte eine Sherrykaraffe und nahm sie mit ins Wohnzimmer. Es war ein grüner glasblitzender Raum, vergleichbar ihrem allzu jugendlichen Geschmack in puncto Kleidung. Wind rüttelte an den Fenstern, denn die Wohnung lag hoch oben und blickte wie aus einem Flugzeug auf das südliche Manhattan. Sie legte eine Linguaphone-Schallplatte



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