Barney Kettles bewegte Bilder by Kate de Goldi

Barney Kettles bewegte Bilder by Kate de Goldi

Autor:Kate de Goldi
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Carlsen Verlag
veröffentlicht: 2017-03-08T16:00:00+00:00


Freitag, sehr früh

Um 0 Uhr 26 stand Barney auf.

»Na los.«

Sie krochen aus dem Lavendelgarten, stellten sich dicht neben den dünnen Stamm des Olivenbaums und spähten die Straße in ihrer ganzen Länge aus. Sie war leer und mehr oder weniger still, bloß aus der Saturn Bar drang ferner Lärm. Alle Wohnungen lagen im Dunkeln – außer der von Suit und Mireille, wo hinter der Papierjalousie eine Lampe glomm. Suit saß in seinem kleinen Arbeitszimmer, las womöglich. Der Rest der High Street schlief, sogar die Stare.

Barney war schon um diese Uhrzeit auf der Straße gewesen, aber immer mit Erwachsenen, auf dem Heimweg von Feiern oder Abendessen oder aus dem Urlaub. Jetzt war es ganz anders. Ohne Menschen und Bewegungen und Geräusche offenbarte die Straße ihren geheimen Charakter. Sie war ein schattenhaftes atmendes Wesen, ein großer Leib mit vielen Körperteilen, hellwach und aufmerksam.

Etwas Weiches stieß gegen Barneys bloße Beine, und sein Herz machte vor Angst einen Salto.

»Brown Betty!«, flüsterte Ren. Die Katze miaute zur Begrüßung und schob sich zwischen ihre Beine. Dann trottete sie ihnen voraus auf die Gasse zu.

»Sie weiß, wo wir hingehen.«

»Unmöglich«, sagte Barney. Sein Herz schlug erschreckend heftig. Er hielt ein Bündel von Rens T-Shirt fest, um sie nah bei sich zu halten. Plötzlich verspürte er heftige Sehnsucht nach Wohlbekanntem: nach seinem Bett, dem Wohnzimmersofa, seinem Tisch in der letzten Reihe der Klasse mit Blick auf den Schulhof und die fernen Port Hills.

Die Gasse roch vertraut – feucht und schimmlig, ein Hauch von Urin –, doch um Mitternacht war das ein ganz anderer Eindruck, trotz des Mondlichts. Auch die Dunkelheit hatte einen Geruch, den man allerdings unmöglich beschreiben konnte.

Sie hörten ihre eigenen zaghaften Schritte, das lärmende Knirschen unter ihren Sohlen.

Ren griff nach Barneys Hand, und er hielt sie dankbar fest. Wieso hatte er sich bloß gewünscht, der Tag möge schnell vergehen? Jetzt würde er ganz ehrlich, im Ernst, lieber mit Nick Etherington Ganze Zahlen üben.



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