Barclay, James - Die Legenden des Raben 4 by Zauberkrieg
Autor:Zauberkrieg
Die sprache: deu
Format: mobi
veröffentlicht: 0101-01-01T00:00:00+00:00
Zwölftes Kapitel
Dystran hatte persönlich mit seiner kleinen Armee nach Julatsa reiten wollen, doch Ranyl hatte es ihm ausgeredet, selbst wenn die Aussicht auf einen ruhmreichen Sieg sehr verlockend war. Auch das hatte sich als weise Entscheidung erwiesen, nachdem er am Morgen Chandyrs Bericht mittels einer Kommunion empfangen hatte. Was würde er nur ohne den alten Magier tun?
Er hatte den größten Teil des Tages in Ranyls Gemächern gesessen und mit dem sterbenden Freund gesprochen. Allzu schmerzlich war ihm bewusst, wie kurz die Zeit war, die sie noch zusammen verbringen durften. Der alte Meister hatte den Angriff auf Xetesk und das Eindringen der Angreifer in seine Kammer nicht verwunden. Er war schockiert und niedergeschlagen.
»Ich hätte mich nicht wehren können«, sagte er wohl zum zehnten Mal an diesem Tag. »Ich war ohnmächtig.«
Ranyl saß in seinem Lieblingsstuhl am Feuer, das trotz des warmen Tages heftig prasselte. Er rang die Hände, sein Gesicht war feucht vor Schweiß, und die Qualen, die ihm der Krebs bereitete, waren unübersehbar. Jeder Atemzug wurde zur Tortur. Seine Haut war fahlgelb, und er zitterte am ganzen Körper. Den ganzen Tag schon hatte er die Nahrungsaufnahme verweigert.
»Sie wollten Euch nichts antun«, erwiderte Dystran leise. »Ich war es, der Euch im Stich ließ. Es tut mir leid.«
»Ich war in meinen eigenen Gemächern, und sie sind einfach hereinspaziert.«
Dystran sah die Furcht in den klaren, klugen Augen und machte sich bewusst, dass Ranyl zwar ein großer Magier sein mochte, aber im Augenblick nur ein müder alter Mann war, der den Tod kommen sah und sich davor fürchtete.
»Ich habe Neuigkeiten für Euch«, sagte Dystran, fest entschlossen, den Alten abzulenken.
Die Neuigkeiten waren ihm bereits im Morgengrauen zugetragen worden, bisher hatte er sie Ranyl jedoch nicht offenbart, weil der alte Mann wie üblich den halben Tag gegen seine Schmerzen gekämpft hatte. In solchen Augenblicken war es am besten, über Erinnerungen zu reden. Heute aber ging ihm vieles durch den Kopf.
»Ach, ja?« Ranyl merkte auf, und Dystran fragte sich, ob es nicht doch ein Fehler gewesen war, so lange zu warten.
»Wie Ihr wisst, haben wir gestern Abend Späher ausgesandt«, fuhr er fort. »Es scheint, als hätten wir den Gegnern einen größeren Schaden zugefügt, als wir hoffen konnten. Die Lager im Süden und Westen sind verlassen. Sie ziehen nach Norden, sind aber natürlich fast einen Tag hinter uns.«
»Dieses Manöver war in gewisser Weise zu erwarten.« Ranyl richtete sich in seinem Stuhl auf. »Sie vermuten zu Recht, dass wir von hier aus keine Truppen schicken können, um sie anzugreifen, da wir sonst schutzlos wären. Umgekehrt können auch sie uns hier nicht mehr angreifen. Können wir annehmen, dass sie nach Julatsa ziehen, oder wollen sie etwa nach Dordover und Lystern zurückkehren?«
»Das ist schwer zu beantworten«, erwiderte Dystran. »Sie haben mehr als einhundert Verletzte bei sich, die vermutlich nach Hause zurückkehren werden. Der größte Teil der Streitmacht, schätzungsweise vierhundert Kämpfer, geht aber vermutlich nach Norden.«
»Das ist interessant.«
»Was sollen wir Eurer Ansicht nach tun, um ihnen zu begegnen?«
Ranyl dachte eine Weile nach und rieb sich mit dem Zeigefinger über die Nase. »Ich verstehe nichts von militärischer Taktik«, sagte er schließlich.
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