Büffelmädchen by Pestum Jo
Autor:Pestum, Jo [Pestum, Jo]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 0101-01-01T00:00:00+00:00
Das rettende Feuer
»Kleiner Fuß! Kleiner Fuß!«
Aber wie sollte er ihre Stimme hören bei dem Getöse der tobenden Tiere! Wie sollte er seine Schwester wahrnehmen, wo er sich doch mit letzter Kraft mit der linken Hand am Gestein festhielt und mit der rechten nach den aufgerissenen Mäulern der Wölfe schlug. Er hatte als Waffe nur noch den Bogen. Die letzten Pfeile waren längst verschossen. Doch wie sollte er mit kraftlosen Schlägen die gierige Meute abwehren! Er hatte die Beine angezogen, so gut es ging, doch der Stein war zu klein, die Springer erreichten seine Waden, seine Knie, seine Oberschenkel und schlugen mit scharfen Zähnen zu. Yucca sah Blut. Die Bisse rissen immer neue Wunden.
Diese ohnmächtige Hilflosigkeit!
»Kleiner Fuß, halte aus! Ich komme!«
Yucca wollte losstürzen, wollte sich zwischen die Wölfe werfen, um den Bruder zu retten. Sie spürte nur diesen Trieb in ihrem Kopf, doch ihre Beine und Arme waren wie gelähmt. Für einige Augenblicke verschwamm das alles, was sie vor sich sah, zu einem grauen Nebel, der wie ein Wasserstrudel kreiste. Wahnsinn! Das ist doch alles nicht wahr. Ich bin in einem schrecklichen Traum...
Dann spürte Yucca einen jähen Stich im Gehirn, der schmerzte wie ein greller Lichtstrahl, aber auf einmal ihr Denkvermögen entzündete. Klarheit wie von einem kalten Windstoß. Hatten die Gedanken der Weisen Frau sie erreicht? Gebrauche deinen Verstand, Büffelmädchen!
Feuer! Ja, Feuer!
Überdeutlich glaubte Yucca die Sätze zu vernehmen. »Ich habe noch nicht gelernt, Feuer zu machen. Nein, Weise Frau, das kann ich nicht.« — »Unsinn! Wenn es nötig ist, wirst du es können. Es kann gut sein, dass euch das Feuer das Leben rettet. Hab Vertrauen zu dir selbst...« Vertrauen zu mir selbst? Yucca war aus der Erstarrung des Schocks aufgewacht. Bleib ruhig, beschwor sie sich, versuch es! Sie hörte die Wölfe wütend lärmen, doch sie schaute nicht hin. Sie hatten Blut geleckt, sie waren berauscht vom Blut und wollten die andere Beute vom Felsbrocken reißen — aber Yucca schaute nicht hin.
Sie schrie: »Du musst aushalten, Kleiner Fuß!«
Häuptlinge und berühmte Krieger beherrschten die Kunst des Feuermachens, sie entzündeten die heilige Flamme. Aber hier in der Einsamkeit gab es keinen Häuptling und keinen berühmten Krieger. Das Mädchen Yucca musste das Feuer machen. Und zwar schnell. Es musste ihr gelingen, sie durfte keinen Fehler machen, sie brauchte ruhige Hände. Nur keine Hast!
Yucca fingerte den Feuerbohrer aus dem Beutel. Den Quirl setzte sie in die Vertiefung des Holzstückes. Zuerst waren die Bewegungen ihrer Handflächen zu fahrig, die Reibungen waren zu langsam, der Bohrstab erzeugte keine Hitze im Holz. »Gib nicht auf!«, flüsterte sie. »Wenn es nötig ist, wirst du es können!«
Nur allmählich erreichte sie die Geschwindigkeit, die nötig war, um das braune heiße Pulver in der Vertiefung des Holzstücks zu erwärmen. Dann — dann konnte sie riechen, wie Hitze entstand. Schweiß rann ihr in die Augen, aber Yucca gab nicht auf, sosehr auch die Arme schmerzten. Geschickt und kraftvoll bewegte sie den Feuerquirl. Ein dünner Rauchfaden stieg auf. Behutsam bröselte Yucca Flocken vom trockenen Zundermoos an den Fuß des Quirls, die begannen zu glimmen. Vorsichtig blies sie in die Glutkörnchen, bis Qualmwölkchen aufwallten.
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