Azorenhoch by Bettina Haskamp

Azorenhoch by Bettina Haskamp

Autor:Bettina Haskamp
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin
veröffentlicht: 2014-03-20T04:00:00+00:00


11

PAULO SETZTE DIE zerstrittenen Arbeiter in verschiedenen Häusern ein und hoffte auf Ruhe. Er selbst ging durch den Nieselregen zu Haus eins. Dort zog der Elektriker gerade die Leitungen für Küche und Bad. Außenarbeiten waren bei dem Wetter mal wieder unmöglich.

»Wie sieht’s bei dir aus, Pedro?«

»In zwei Stunden bin ich durch.«

Endlich klappte auf dieser Katastrophenbaustelle mal was.

Mariana hatte gestern Abend im Bett gesagt, auf dem alten Dorf liege ein Fluch. Es sei doch völlig offensichtlich, dass hier schwarze Magie im Spiel sei. Einen winzigen Augenblick lang hatte er gedacht: Und wenn es so wäre? Dann gäbe es wenigstens eine Erklärung für den ganzen Mist.

»Hallo, Paulo, das sieht hier doch schon gut aus!« Lenas Stimme. Er mochte ihren deutschen Akzent. Sie stand jetzt neben ihm und zog sich die Kapuze ihrer Regenjacke vom Kopf. »Morgen können wir mit dem Verputzen anfangen.« Er zeigte auf die Eimer mit Kalk und Sand, die neben den Farben und Lacken bereitstanden, die Lena gekauft hatte. Sicherheitshalber machte er wischende Bewegungen. Sie schien ihn zu verstehen und lächelte ihn an.

Er mochte auch ihr Lächeln. Anfangs war sie immer wahnsinnig ernst gewesen, aber mit jeder Woche auf der Insel schien sie sich mehr zu entspannen. Schon erstaunlich, dachte Paulo. Hier kriegen die Leute im Dauergrau Depressionen – erst in der vergangenen Woche hatte sich im Osten der Insel wieder ein junger Mann erhäng –, und diese Frau blüht auf. Dabei saß sie für seinen Geschmack viel zu oft allein in ihrem Zimmer. Marco war ein Idiot. So eine junge, hübsche Frau ließ man doch nicht dauernd allein.

»Was glaubst du, wann kann ich streichen?«

Er sah die Hoffnung in ihren hellen blauen Augen. »Übermorgen, denke ich.«

»Kannst du mir mal helfen, Paulo?«

Jetzt erst bemerkte er die Pakete neben der Tür.

»Die sollen nach oben.«

Sie stieg die Leiter zum Hängeboden halb hoch, drehte sich um, lehnte den langen Rücken gegen die Sprossen und streckte Paulo die Arme entgegen. Er reichte ihr die Pakete, und Lena schob sie über den Rand auf den Hängeboden. Das letzte war das schwerste. Lena hatte es schon fast hochgewuchtet, als sie mit dem Fuß von der Leiter abrutschte und das Gleichgewicht verlor. Das Paket knallte an Paulo vorbei auf den Steinboden, etwas darin schepperte wie brechendes Glas, und in der nächsten Sekunde stürzte Lena mit einem kleinen Schrei genau auf ihn zu. Er konnte nur noch die Arme öffnen.

»Ich wäre dir sehr dankbar, wenn du deine Finger von meiner Freundin nehmen könntest.« Paulo und Lena drehten sich um. In der Tür stand Marco – mit der Ausstrahlung eines schlechtgelaunten Grizzlybären.

Im ersten Augenblick wusste Paulo nicht, was er sagen sollte. Dann bekam er den Mund auf. »Mach dich nicht lächerlich, Mann. Lena ist von der Leiter gerutscht. Ich hab sie aufgefangen. Lass deine schlechte Laune gefälligst an jemand anderem aus.« Er ließ Lena los. »Alles in Ordnung mit dir?« Als sie nickte, ging er ohne ein weiteres Wort an Marco vorbei ins Freie.

Vor dem Haus holte er seine Zigaretten aus der Tasche, realisierte erst einen Augenblick später, dass er im Regen stand, steckte sie wieder ein und stapfte wütend aus dem Dorf.



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