Auswanderer-Saga 02 - Der weisse Stern by Lorentz Iny

Auswanderer-Saga 02 - Der weisse Stern by Lorentz Iny

Autor:Lorentz, Iny [Lorentz, Iny]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783426422670
Herausgeber: Knaur eBook
veröffentlicht: 2014-03-26T16:00:00+00:00


5.

Der misslungene Angriff von Velasquez’ Dragonern hatte Gisela den Ernst der Lage endgültig vor Augen geführt. Als sie und Walther an diesem Abend im Bett lagen, klammerte sie sich an ihn und schluchzte leise.

»Was hast du, mein Schatz?«, fragte Walther.

»Manchmal glaube ich, dass wir unter einem schlechten Stern geboren wurden. Wohin wir uns im Leben auch immer gewandt haben, war um uns herum Gefahr!«

Walther strich ihr sanft übers Haar und schüttelte den Kopf, obwohl sie es in der Dunkelheit nicht sehen konnte. »Du solltest dir keine solchen Gedanken machen, mein Liebes. Es wird alles gut ausgehen, das verspreche ich dir!«

»Versprich mir, dass du gesund wieder zu mir zurückkommst, wenn du in den Krieg ziehst. Die Männer sagen, es geht bald los. General Austin will die mexikanischen Stützpunkte im Süden angreifen.«

Da Gisela bis zu ihrem elften Lebensjahr mit den Soldaten gezogen war, verstand sie mehr vom Krieg als andere Frauen und wohl auch mehr als die meisten Männer. Sie kannte das Grauen, das wie ein höhnisch grinsender Schatten den Soldaten folgte, und hatte viele Männer und Frauen elendiglich umkommen sehen. Andere waren durch die Entbehrungen auf den Feldzügen so krank geworden, dass sie in sich zusammengefallen und lange vor ihrer Zeit gestorben waren, so wie Holger Stoppel, der Wachtmeister in Renitz’ Regiment und spätere Förster. Dieser hatte ebenso wie sie Napoleons Marsch nach Moskau mitgemacht und die Schrecken des Rückzugs erlebt. Dieselbe Schwäche, die Stoppel dahingerafft hatte, hielt auch sie in den Klauen. Sie fühlte ihr Herz rasen und immer wieder stolpern, und ihr war, als würde der Sand ihres Lebens schneller aus der Sanduhr des Schicksals herausfließen als bei anderen Menschen.

»Noch ziehe ich nicht in den Krieg«, drang Walthers Stimme wie aus weiter Ferne in ihre wirbelnden Gedanken. »Da es keinen zweiten Mann auf der Farm gibt, muss ich erst zu den Waffen, wenn es unabänderlich ist. Pepe und die drei Vaqueros sind Mexikaner und gelten bei den Texanern als unsichere Kantonisten.«

»Wann ist es unabänderlich?«, fragte Gisela leise.

»Wenn Santa Anas Truppen den Rio Guadalupe überschreiten. Bis dorthin verteidigen wir als Miliz unseren Siedlungsbereich gegen feindliche Streifscharen.«

Auch das war nicht ungefährlich, wie Gisela wusste. Sie vertraute Walther jedoch und war sicher, dass er kein unnötiges Risiko einging. Vielleicht würde er sich noch mehr zurückhalten, wenn sie ihm sagte, dass sie wieder ein Kind erwartete. Dann aber dachte sie an ihre letzte Schwangerschaft und den Verlust des Ungeborenen lange vor der Zeit. Die Sorge um das in ihr keimende Leben wollte sie Walther nicht auch noch aufbürden.

Daher schmiegte sie sich noch enger an ihn und knabberte an seinem Ohrläppchen. »Liebe mich«, flüsterte sie. »Wer weiß, wie lange wir noch zusammen sein werden.«

Walther wunderte sich ein wenig, weil Gisela in den letzten Monaten nur selten von sich aus Lust empfunden hatte, sich mit ihm zu vereinigen. Aber er nahm ihr Geschenk gerne an und begann, sie zu liebkosen. Gisela schloss die Augen und gab sich ganz den Gefühlen hin, die seine Nähe in ihr auslöste. Bei ihrer letzten, so schrecklich geendeten Schwangerschaft war dies anders gewesen.



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