Ausradiert: Thriller (German Edition) by Abrahams Peter

Ausradiert: Thriller (German Edition) by Abrahams Peter

Autor:Abrahams, Peter [Abrahams, Peter]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783426417102
Herausgeber: Verlagsgruppe Droemer Knaur
veröffentlicht: 2012-07-01T22:00:00+00:00


19

Die Lücken füllen; das Leben verlängern. Nick wusste, dass das eine das andere bedingte; warum sonst sollte er sich, seit er begonnen hatte, die Lücken zu füllen, von Tag zu Tag besser fühlen? Sein Stock, der dem Brand zum Opfer gefallen war, wurde nicht länger gebraucht. Schwer, dagegen zu argumentieren.

Er fuhr durch die Nacht zurück zu George Rummels Behausung, zu aufgedreht, um bis zur Dämmerung mit seiner Suche zu warten, dies eine Mal nicht im Geringsten müde. Mehr Sterne, als er jemals gesehen hatte, leuchteten herab, so viele, dass, wenn man, wie Nick es tat, auf bestimmte Weise hinsah, der Himmel weiß schien und die Löcher darin schwarz. Während er unter dieser leuchtenden Kuppel dahinfuhr, lief der Wagen so ruhig, als glitte er auf Luft; in diesem Moment sprach eine Stimme zu ihm, so wirklich, so klar, dass Nick abrupt den Kopf drehte, um auf den Beifahrersitz zu sehen. Die Stimme sagte:

Nikolai? Kannst du mich hören?

Der Sitz war selbstverständlich leer, Nick allein im Auto. Aber es war die Stimme seines Vaters, unverwechselbar – kühl, distanziert, überlegen. Nick schoss von der Straße, schlingerte auf der sandigen, rutschigen Böschung, hielt den Wagen an. Stille. Nick lauschte und hörte nichts als den Wind, nicht heftig, aber stetig, der in allem raschelte, was rascheln konnte. Er hatte sich die Stimme eingebildet, war müder, als er geglaubt hatte, sollte vermutlich umdrehen, sich einen Platz zum –

Nikolai? Kannst du mich hören?

Die Stimme seines Vaters, noch deutlicher jetzt, keine Erinnerung daran, wie sein Vater geklungen hatte, sondern der Klang selbst. Nick sah in die Nacht hinaus, entdeckte in der Ferne die schimmernden Lichter einiger Häuser, aber keine Menschen und sicherlich nicht seinen vor langer Zeit verstorbenen Vater.

Nikolai? Mittlerweile in diesem schneidenden, ungeduldigen Ton.

»Ja«, erwiderte Nick. »Ich höre dich.«

Willst du leben oder sterben?

»Selbstverständlich leben.«

Keineswegs selbstverständlich. Viele würden lieber sterben, aber es fehlt ihnen an Mut. Stille. Du hättest Chemie studieren sollen, wie ich es dir geraten habe. Als Chemiker kann man eine ausgezeichnete Karriere machen. Als Chemiker kann man eine ausgezeichnete Karriere machen. Als Chemi–

»Aufhören.«

Stille.

Aber jetzt reden wir über die Zukunft. Sagt dir der Begriff spontane Remission irgendetwas, Nick?

»Ja«, erwiderte Nick.

Bitte definiere ihn.

Das war sein Vater; absolut kein Vertrauen in den Sohn. »Wenn Krebs von selbst verschwindet«, erklärte Nick.

Hat man dich gelehrt, einen Begriff so zu definieren?

Musste er sich das anhören? »Wenn du was zu sagen hast, dann sag es.«

Wie redest du mit mir?

»Sag es.«

Die Stimme verstummte, und die Stille dauerte an. Nick zweifelte erneut an ihrer Existenz. Doch keine Stimme, eine Art Einbildung, vielleicht eine Klanghalluzination, die andeutete, dass sich in seinem Gehirn etwas veränderte, vielleicht war ein neuer Bereich –

Finde das Mädchen, Amanda.

Die Stimme dröhnte jetzt wie eine Fanfare, so geladen mit allen Bestandteilen echten Klangs, dass seine eigenen Gedanken untergingen, als wäre ein Fünfzigtausend-Watt-Sender in sein Gehirn implantiert. Nick presste die Hände auf die Ohren. Es half nicht.

Das ist der Weg zur spontanen Remission.

»Ich finde das Mädchen und lebe?«, fragte Nick, ebenfalls mit erhobener Stimme.

Ja.

»Ich finde das Mädchen, und der Krebs verschwindet?«

Was ist daran so schwer zu begreifen?

»Aber das ist absurd.



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