Aus vollem Leben by Nataly von Eschstruth

Aus vollem Leben by Nataly von Eschstruth

Autor:Nataly von Eschstruth [Eschstruth, Nataly von]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Saga
veröffentlicht: 2016-04-14T00:00:00+00:00


Ein gemütlicher Weihnachtsabend.

Es war kurz vor Weihnachten.

Keine Zeit ist so lieb, so traut, so geheimnisvoll wie diese!

Ein jeder befindet sich in gehobener Stimmung, die Dienstboten sind eiserner und arbeitsbeflissener denn je, selbst die arroganteste Kinderfrau entzückt ihre Umgebung zeitweise durch ein wohlwollendes Lächeln, sie ignoriert nicht wie sonst voll eiserner Konsequenz die grösseren Kinder, sondern lässt, während das Baby schläft, ihre Feldherrnblicke auch über diese gleiten, obwohl dies nicht ihre, sondern der Bonne Sache ist.

„Kurtchen!“ mahnt sie freundlich, ohne sich von ihrem Korbsessel zu erheben: „du brennst von hinten an!“ — und die Bonne blickt von ihren Eisserviettchen, welche sie heimlich für die gnädige Frau stickt, auf, und stürzt sich mit gellendem Schreckensschrei auf ihren Pflegbefohlenen, welcher im Eifer des Versteckspielens allzunahe an den Coaksofen geraten ist. Sein Schürzchen ist bereits quittegelb gesengt, — aber edlere, rückwärtsgelegene Teile sind Gott sei Dank noch nicht verletzt.

Und Fräulein stickt eifrig weiter, und die hochlöbliche Kinderfrau klappert mechanisch mit den Stricknadeln und freut sich auf den Moment, wo sie der gnädigen Frau nachdrücklich erzählen wird: Ja, wenn ich nicht gewesen wäre! —

Das Stubenmädchen wischt unaufgefordert Staub, sogar in den Ecken, und hinter den Nippes, wogegen sie sonst eine chronische Abneigung hat, — ja, sie hat seit gestern eine wahre Thätigkeitswut entwickelt und eine neue Plüschborde um den Kleiderrock der Gebieterin gemacht, obwohl die alte noch gar nicht das Stadium erreicht hatte, welches für gewöhnlich nötig war, um Fräulein Minna die Nadel in die Hand zu zwingen.

Die Kinderfrau meint zwar ironisch: Minna habe die alte für sich selber sehr notwendig gebraucht! Aber sie teilt diese Ansicht nur der Bonne mit, denn in der seligen, fröhlichen Weihnachtszeit ist sie selbst gegen die naseweise, so oft den Respekt gegen sie vergessende Minna in gewisser Weise wohlwollend. —

Herr Köbernuss, der Bursche in Livree, von welchem der Herr Major noch kürzlich behauptet hat: „er sei der grösste Schafsdämel auf Gottes weiter Welt“ — sammelt plötzlich feurige Kohlen auf das Haupt seines Herrn, und zeigt sich von beängstigender Intelligenz. — Die Lampen, gegen welche der Hausherr seit Wintersbeginn als „elende Sommerfunzen“ gewettert hat, brennen plötzlich hell wie Elektrisches, die Öfen sind rechtzeitig zugeschraubt und erfüllen endlich den Zweck ihres Daseins, die Zimmer nicht nur mit Rauch anzufüllen, sondern auch zu erwärmen. — Die Serviettenringe, der Essig- und Ölständer und der Brotkorb erscheinen ohne vorhergegangenes drittes Aufgebot der Hausfrau blitzblank geputzt auf dem Esstisch, und Kurtchen erscheint sogar ganz aufgelöst vor Begeisterung neben Papas Schreibtisch und präsentiert ein Pferdchen, an welches der liebe Köbernuss zwei veritable, neue Holzrädchen geschnitzt hat.

Die gnädige Frau ist ganz gerührt und selbst der gestrenge Herr Major schlägt reuig an die Brust und murmelt: „Er scheint sich wirklich noch zu machen, der Kerl!“

„Ja, er ist ein guter Mensch — und so aufmerksam seit einiger Zeit!“

„Na, dann soll er Weihnachten auch nicht zu kurz kommen!“ —

Wo alles liebt, kann die Köchin allein nicht hassen! Das Essen schmeckt ausgezeichnet, sie schickt endlich die Braten auf einer grossen — nicht mehr auf der kleinen Schüssel, welche den tranchierenden Hausherrn



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