Aus dem Tagebuch eines Hundes by Oskar Panizza

Aus dem Tagebuch eines Hundes by Oskar Panizza

Autor:Oskar Panizza [Panizza, Oskar]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: isbn:3882210052, Erzählung
Herausgeber: Matthes & Seitz
veröffentlicht: 1976-12-31T23:00:00+00:00


September.

Was man auch sagen möge über die Nichtsnutzigkeit oder Niedrigkeit der Menschenrace, sie haben Fertigkeiten, Kunststücke, Schauspieler-Sächelchen, Zauberkünste, die ihnen nicht so leicht Jemand nachmacht. Und wenn diese Dinge auch keinen Wert haben, man steht starr vor ihnen und entzückt, wie vor einem Wunder. Und eine Spanne Existenz ist wieder ausgefüllt. Ich rede von der Reproduction des Menschengeschlechts durch das singuläre Individuum. Ich wiederhole: Reproduction oder Wiederholung der Menschenrace durch ein einzelnes Individuum.[199] Ja, lauscht Ihr Hunde, die Ihr oft unter dem Hohngelächter der Menge Euch auf der Straße um Eure Nachkommenschaft abplagt! Diese Menschen reproducieren sich viel leichter. Ein Griff, und Alles ist geschehen. – Ich rede nicht von der Nachkommenschaft der Menschen, – die sie, weiß der Himmel wie und wo, zu Stande bringen – sondern von der Selbstproduction des Einzel-Individuums. Das versteht wieder Keiner! Ja, versteh ich’s? Ist es meine Schuld, wenn ich Ausdrücke und Wendungen gebrauche, die kaum gefaßt werden können? Wenn unsere Hunde-Sprache den Tollheiten und Zauberkünsten dieser Menschen nicht nachkommen kann? Eigentlich sollte ich sagen: Selbst-Repetition oder Selbst-Wiederholung des Einzel-Individuums an jedem Tag, zu jeder Stunde, in jedem Augenblick, wann es gerade gefällig, ohne Beihülfe, – weil das betreffende Individuum immer nur sich selbst erzeugt, kein jüngeres, kein anderes, nicht einmal ein ähnliches, sondern immer nur sich selbst, also repetiert. – Warum? – Ja, das weiß der Himmel. – Doch, ich glaube, ich gebe die Sache am besten so, wie ich sie gesehen habe. Ihr legt sie Euch dann aus, wie es Euch gefällt.

Also: In der letzten Zeit liege ich häufiger als früher bei Nacht unter dem Bett meines Herrn. Ich kroch nun, – es war gestern –[200] etwas früher unter demselben hervor, weil mich hungerte. Ich drückte es ihm mit dem Blick aus. Aber, wie bekannt, versteht diese stumpfsinnige Race nicht die leiseste Andeutung, die jeder Hund versteht. Er glotzte mich blöd und breitmäulig an, und wandte sich dann zu seiner früheren Beschäftigung. – Neugierig gemacht, verfolgte ich diese, und bemerkte, wie mein Herr, der eine Menge sonderbarer stachlicher, zinkiger Instrumente in seinen Händen hielt, einen bestimmten Abstand zu nehmen suchte zu einer gewissen Platte, die todt und leer an der Wand herabhing. Diese Platte, groß und gähnend wie ein unendliches Nichts, hatte ich wohl früher bemerkt, ohne ihre Bedeutung mir klar machen zu können. Nun kam ein Moment: mein Herr hielt die erwähnten Instrumente hoch über seinen[201] Kopf, – noch ein Schritt seitwärts, – und plötzlich trat hinter der Platte, wie aus einer andern Welt, schläfrig und grabentstiegen, mein zweiter Herr auf; ja, mein zweiten Herr; oder: noch ein Exemplar von meinem Herrn; ganz und gar, und leibhaftig, und lebendig; und mein erster Gedanke war, daß sich jetzt auch die Hiebe im Tage verdoppelten. Mein Herr hatte sich repetiert; hatte sich aus dem ewigen Nichts, – oder wie man das nennen will, – selbst erzeugt. Ich war starr und sprachlos! Und nun hätte man sehen sollen: Dieses gegenseitige Gezwinker und Augenblinzeln, dieses Mundspitzen, diese Begrüßungen und Beglückwünschungen, als sagten sie sich: Wie



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