Aurora by Robinson Kim Stanley

Aurora by Robinson Kim Stanley

Autor:Robinson, Kim Stanley
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: d-Heyne TB
veröffentlicht: 2016-09-22T00:00:00+00:00


FÜNFTER TEIL

KRANK VOR HEIMWEH

Am ersten Abend nach der Zündung versammelten sich alle bis auf dreiunddreißig der 727 Personen an Bord in der Pampa, am Rande von Plata, und tanzten um ein Freudenfeuer. Das Feuer gestatteten sie sich nur dieses eine Mal, und größtenteils wurden darin saubere Gase verbrannt. Gelächter, Trommeln und Tanzen, der reflektierte Flammenschein in ihren glänzenden Augen: Sie waren wieder unterwegs! Und noch dazu zurück zur Erde! Sie waren wie trunken, und viele von ihnen waren tatsächlich betrunken. Einige der nüchternen Anwesenden wiesen darauf hin, dass das Feuer sie an die Zeit der Unruhen erinnerte. Nicht alle fanden es gut.

In den folgenden Wochen gab es viele Anzeichen von Zufriedenheit und sogar Begeisterung, als das Schiff aus dem Tau-Ceti-System heraus beschleunigte. Das Schiff würde so lange Treibstoff verbrennen, bis es sich mit seiner interstellaren Zielgeschwindigkeit von 0,1 c bewegte. In diesen ersten Monaten versammelten sich oft alle 727 Mannschaftsmitglieder in der Pampa. Auch bei diesen Zusammenkünften brach wieder überschwängliche Feierlaune aus, wenn auch ohne Freudenfeuer. Die durchschnittliche Schlafdauer sank um vierundachtzig Minuten pro Nacht. Als das Schiff an Tau Cetis dichter Oort’scher Wolke vorbei war, waren 128 der 204 Frauen in gebärfähigem Alter schwanger. Alle zwölf Biome ihres verbliebenen Rings wurden hingebungsvoll gepflegt. Die Leute erwähnten eine leise Euphorie, sprachen von einem Gefühl, wieder ein Ziel zu haben. Sie kehrten zu einem Zuhause zurück, das sie noch nie gesehen hatten, aber ihre Nostalgie war auf der Zellebene verankert, es hieß, sie sei in ihr Erbgut eingeschrieben. Was vielleicht sogar in einem mehr als nur metaphorischen Sinne zutraf.

Freya und Badim richteten sich wieder in ihrer Wohnung im Windfang ein, hinter der Küstenstraße am Ende des Langen Teichs, mit Aram nebenan. Sie gingen nicht mehr segeln wie zu Freyas Kinderzeiten, sondern führten ein ruhiges und eher zurückgezogenes Leben und arbeiteten in der Klinik des Windfangs. Einige der Ärzte dort waren nicht besonders glücklich darüber, dass so viele Frauen zur gleichen Zeit Kinder bekommen würden. »Es ist die einzige normale Situation, bei der beide Patienten ums Leben kommen können«, erklärte Badim Freya. Sie selbst war schon fast zu alt, um Kinder zu kriegen, was sie manchmal bedauerte. Badim sagte ihr, dass sie für alle an Bord wie eine Mutter sei, und dass ihr das genügen müsse. Darauf erwiderte sie nichts.

Wie dem auch sei, die Frage der Fortpflanzungsregulierung drang einmal mehr allen ins Bewusstsein. Im Moment konnten sie sich ein Bevölkerungswachstum leisten, vielleicht brauchten sie es sogar, um all die Aufgaben zu bewältigen, die für den Erhalt ihrer Gesellschaft während der kommenden Jahrzehnte und Generationen notwendig sein würden. Landwirtschaft, Schule, Medizin, Ökologie, Ingenieurswesen: In all diesen Bereichen gab es unverzichtbare Tätigkeiten. Keiner an Bord war der Meinung, dass sie die Bevölkerung deutlich unter tausend halten und gleichzeitig all diese Aufgaben erledigen konnten. Aber nicht zu schnell!, sagten die Ärzte.

In diesem Jahr der Schwangerschaften richteten sie ihr Regierungssystem neu ein, indem sie in jedem Biom Gemeindeversammlungen abhielten und eine neue Ratsversammlung und einen neuen Exekutivrat bildeten. Freya wurde gebeten, Letzterem beizutreten, hatte aber den Eindruck, dass sie dort eher eine Art zeremonielle Funktion erfüllen sollte.



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