Augustus by John Williams
Autor:John Williams [Williams, John]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Roman
ISBN: 9783423430876
Herausgeber: dtv Verlagsgesellschaft mbH & Co. KG, München
veröffentlicht: 2016-09-05T22:00:00+00:00
III. Brief
QUINTUS HORATIUS FLACCUS AN ALBIUS TIBULLUS
(25 V. CHR.)
Mein lieber Tibullus, Du bist ein guter Dichter und mein Freund, aber Du bist auch ein Dummkopf.
Ich werde mich so unverblümt wie nur möglich ausdrücken: Du sollst kein Gedicht schreiben zur Feier der Hochzeit des jungen Marcellus mit der Tochter des Kaisers! Du hast mich um meinen Rat gebeten; und ich erteile ihn Dir mit all dem Nachdruck eines Befehls aus jenen Gründen, die ich im Weiteren aufzähle.
Erstens: Octavius Cäsar selbst hat es mir und Vergil, die wir zu seinen engsten Freunden zählen, nur zu deutlich gemacht, dass er es überaus betrüblich fände, sollten wir in einem unserer Gedichte direkt oder indirekt seine persönlichen Angelegenheiten oder eines seiner Familienmitglieder erwähnen. An diesem Prinzip hält er mit Nachdruck fest, und es ist ein Prinzip, das ich zu gut verstehe. Trotz Deiner gegenteiligen Andeutungen ist er seiner Frau und seiner Tochter tief verbunden und möchte nur ungern das schlechte Gedicht kritisieren müssen, das sie preist, noch möchte er das gute Gedicht rühmen müssen, das sie womöglich beleidigt. Darüber hinaus bietet ihm das Familienleben fast die einzige Zuflucht vor der beschwerlichen und schwierigen Aufgabe, diese ihm mit all ihrem Chaos vererbte Welt zu führen. Er möchte seine Zuflucht nicht gefährdet sehen.
Zweitens: Dir fehlt es an natürlichem Talent für das, was Du vorhast, und Du wirst vermutlich kein brauchbares Gedicht darüber schreiben können. Ich schätze Deine Gedichte über Deine Freundinnen, nicht aber die Gedichte über Deinen Freund und Kommandanten Messalla. Ein belangloses Gedicht über ein gefährliches Sujet zu verfassen hieße jedoch, sich dumm zu benehmen.
Und drittens: Selbst wenn es Dir gelänge, die natürliche Ausprägung Deines Talents in eine andere Richtung zu lenken, beweisen mir doch die wenigen, im Brief angedeuteten Meinungen, dass Du lieber nicht versuchen solltest, das von Dir Vorgeschlagene in die Tat umzusetzen. Denn kein Mensch schreibt ein gutes Gedicht, wenn er zweifelt, ob sein Sujet der Mühe wirklich wert ist; und kein Dichter vermag es, seine Vorbehalte einfach zu missachten. Ich schreibe dies nicht, weil ich Dir Deine Ungewissheiten vorhalten will, mein Freund, sondern nur, weil es sich um Tatsachen handelt. Wollte ich mich an das Verfassen eines Gedichts wagen, wie Du es vorschlägst, fände ich womöglich heraus, dass ich Deine Vorbehalte teilte.
Und doch, vielleicht auch nicht. Du meinst eine gewisse Kälte in den Gefühlen des Kaisers für seine Tochter wahrzunehmen und findest, dass er sie durch diese Ehe zu Staatszwecken ›benützt‹. Letzteres mag stimmen, Ersteres gewiss nicht.
Ich kenne Octavius Cäsar nunmehr seit über zehn Jahren; er ist mein Freund, und wir verkehren miteinander wahrlich auf gleichem Fuß. Wie es jedem Freund zukommt, habe ich ihn gelobt, wenn ihm meiner Meinung nach Lob gebührte; ich habe an ihm gezweifelt, wenn mir Zweifel berechtigt erschienen, und ich habe ihn kritisiert, wenn ich fand, dass er Kritik verdiente. Ich habe dies öffentlich getan und vollkommen frei. Unsere Freundschaft hat darunter nicht gelitten.
Wenn ich Dir nun in dieser Angelegenheit schreibe, wirst Du verstehen, dass ich mich so freimütig äußere wie eh und je.
Octavius Cäsar liebt seine Tochter
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