Auge des Mondes by Brigitte Riebe

Auge des Mondes by Brigitte Riebe

Autor:Brigitte Riebe
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Roman
Herausgeber: Diana Verlag
veröffentlicht: 2010-04-03T16:00:00+00:00


ZWEITES BUCH SACHMET

sechs

Der Satrap war weder stattlich noch imposant, wie Mina es sich in ihrer Vorstellung ausgemalt hatte, sondern klein und ziemlich fett, und er hatte ein verschwiemeltes Gesicht, als sei er eben erst aus schweren Träumen erwacht. Er trug den hellen Schurz der Leute aus Kemet; auf seiner fleischigen, dicht behaarten Brust verlor sich ein Pektoral, eine zierlich gearbeitete Mondbarke aus Gold mit einem ovalen Karneol, leuchtend orangerot wie die letzten Strahlen der Sonne, bevor Ra allabendlich seine Nachtmeerfahrt antritt. Flirrende hellbraune Augen musterten Mina über stark gewölbten Jochbögen. Nichts war in ihnen zu lesen, weder Mitgefühl noch Interesse. Jetzt bereute sie, dass sie Numis Angebot, sie zu Aryandes zu begleiten, leichtsinnig abgelehnt und den Perser mit ein paar dürren Worten vor dem Palast zurückgelassen hatte.

»Ich muss allein mit ihm sprechen. Das wirst du sicherlich verstehen.«

»Du kennst ihn nicht, Mina!«, hatte er dagegengesetzt.

»Aryandes ist alles andere als leicht durchschaubar. Soll ich nicht lieber doch mitkommen?«

Nach einem kurzen Blick auf die Wachen, die ihr mehr Respekt einflößten, als ihr lieb war, schüttelte Mina dennoch den Kopf. Bevor Numi nicht deutlicher damit herauskam, was es mit dieser Newa auf sich hatte, verließ sie sich lieber auf sich selber.

»Bemüh dich nicht! Bislang bin ich auch ohne fremden Beistand ganz gut zurechtgekommen.«

Voreilig war sie gewesen, und töricht dazu, das merkte Mina nun, nachdem sie die schier endlosen Reihen der Wachen passiert hatte und schließlich im Audienzsaal des Satrapen angelangt war. Wie beruhigend wäre es jetzt gewesen, Numi ganz in der Nähe zu wissen, während dieser Fremde sie mit so starrer Miene betrachtete, als sei sie nichts anderes als ein lästiges Insekt.

»Du wolltest uns sprechen?« Seine Stimme war nasal und überraschend hoch. Wenigstens konnte er die Sprache Kemets, wenngleich es nicht gerade so klang, als verwende er sie sonderlich gerne.

»Habt tausendmal Dank, dass Ihr mich empfangen habt …«

Ihr Blick flog hilfesuchend zu den Lotoskapitellen der doppelten Säulenreihe. Wie sollte sie ihn bloß anreden? Der Titel Einzig-Einer stand nur dem Pharao zu. Und doch redete und benahm sich dieser Aryandes aus dem fernen Persien, als sei er und kein anderer der Herrscher Kemets und der Stuhl, auf dem er saß, eigentlich ein Thron.

Endlich kam Mina der rettende Einfall. »... Herr!«, vollendete sie ihren Satz.

Er nickte knapp. Wenigstens das schien sie glücklicherweise getroffen zu haben.

»Ich bin vor Euch erschienen als Fürsprecherin meines Neffen Ameni.« Mina versuchte, gleichmäßig zu atmen, obwohl ihr Herz hart gegen die Rippen schlug. Was, wenn sie nicht die richtigen Worte fand? Wenn ihr Auftritt vor dem Satrapen alles nur noch schlimmer machte? Sie war so aufgeregt, dass es in ihrer linken Seite heftig zu stechen begann. »Er ist jung und heißblütig und stellt manchmal leider sehr dumme Sachen an. Aber ein schlechter Kerl ist er nicht. Ich kann das mit Gewissheit sagen, denn ich habe Ameni unter meinen Augen aufwachsen sehen. Hinterlist oder gar Gewalttätigkeit sind seinem Wesen fremd. Dafür verbürge ich mich.«

Keinerlei Reaktion. Sie hätte ebenso gut zu einer Stele aus Granit sprechen können.

»Darf ich mich bei Euch in aller Form für sein Verhalten entschuldigen? Natürlich im Namen der ganzen Familie.



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