Auferstehung by Tolstoi Leo

Auferstehung by Tolstoi Leo

Autor:Tolstoi, Leo
Die sprache: deu
Format: epub


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8

Nach Hause zurückgekehrt, fand Nechliudow in dem für sein Nachtquartier hergerichteten Kontor ein hohes Bett mit Daunenpfühlen, zwei Kissen und einer dunkelroten, zweischläfrigen, fein und mit Figuren gesteppten, fast unbiegsamen, seidenen Bettdecke, – augenscheinlich aus der Aussteuer der Frau des Arbeitsaufsehers. Der Arbeitsaufseher bot Nechliudow den Rest des Mittagessens an, bekam aber eine abschlägige Antwort, entschuldigte sich wegen der schlechten Bewirtung und Ausstattung und entfernte sich dann und ließ Nechliudow allein.

Die Weigerung der Bauern brachte Nechliudow nicht aus der Fassung. Im Gegenteil, trotzdem man dort, in Kusminskoje, seinen Vorschlag angenommen und die ganze Zeit gedankt hatte, hier aber ihm Mißtrauen und sogar Feindseligkeit zeigte, fühlte er sich ruhig und freudig. In dem Kontor war es schwül und nicht sauber. Nechliudow trat in den Hof hinaus und wollte in den Garten gehen, aber er erinnerte sich an jene Nacht, das Fenster in der Mädchenstube, den hinteren Flur, – und ihm war es unangenehm, an den durch die frevelhaften Erinnerungen entweihten Ort zu gehen. Er setzte sich auf die Freitreppe und atmete den die warme Luft erfüllenden starken Geruch der jungen Birkenblätter ein, sah lange in den dunkel werdenden Garten und horchte auf die Mühle, die Nachtigallen und noch einen Vogel, der in dem Strauch gerade neben dem Flur eintönig pfiff. Im Zimmer des Arbeitsaufsehers löschte man das Licht aus; im Osten, hinter der Scheune, flammte wie eine Feuersbrunst der Mond auf; ein Wetterleuchten fing an – immer heller und heller – den verwachsenen, blühenden Garten und das zerfallende Haus zu bescheinen, entfernter Donner ließ sich hören, ein Drittel des Himmels war von einer schwarzen Gewitterwolke verdeckt. Die Nachtigallen und die andern Vögel verstummten. Neben dem Geräusch des Wassers an der Mühle wurde Gänsegeschnatter hörbar, dann begannen im Dorfe und auf dem Hofe des Arbeitsaufsehers die frühen Hähne zu rufen, wie sie gewöhnlich in heißen Gewitternächten vorzeitig krähen. Es gibt ein Sprichwort, daß die Hähne, wenn sie zu früh schreien, eine lustige Nacht ansagen. Für Nechliudow war diese Nacht mehr als lustig. Es war für ihn eine freudige, glückliche Nacht. Die Einbildungskraft rief ihm die Eindrücke jenes glücklichen Sommers zurück, den er hier als unschuldiger Jüngling zugebracht hatte, und er fühlte sich jetzt so, wie er nicht nur damals, sondern immer in den besten Minuten seines Lebens gewesen war. Er erinnerte sich nicht nur, sondern er fühlte sich, wie er damals gewesen, als er als vierzehnjähriger Knabe zu Gott betete, Gott möchte ihm die Wahrheit offenbaren, oder wie er als Kind, auf dem Schoße der Mutter, weinte, wenn er fortgehen sollte, und ihr versprach, immer gut zu sein und sie nie zu betrüben; er fühlte sich so, wie er gewesen, als er und Nikolenka Irtenjew den Entschluß gefaßt hatten, sie wollten einander immer helfen, ein gutes Leben zu führen und sich bemühen, alle Menschen glücklich zu machen.

Er dachte jetzt daran, wie in Kusminskoje die Versuchung über ihn gekommen war, und wie ihm das Haus und der Wald und die Wirtschaft und das Land leid getan hatte, und er fragte sich, ob es ihm noch leid täte? Es befremdete ihn sogar, daß ihm darum hatte leid sein können.



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