Auf Treu und Glauben: Commissario Brunettis neunzehnter Fall (German Edition) by Leon Donna

Auf Treu und Glauben: Commissario Brunettis neunzehnter Fall (German Edition) by Leon Donna

Autor:Leon, Donna [Leon, Donna]
Die sprache: deu
Format: epub, mobi
Tags: Kriminalliteratur
ISBN: 9783257602005
Herausgeber: Diogenes Verlag
veröffentlicht: 2012-10-22T22:00:00+00:00


17

»Oh, Guido, das ist doch vollkommen absurd. Dir ist wohl die Hitze zu Kopf gestiegen, also wirklich.« Es sah ganz danach aus, als wolle seine Schwiegermutter sich nicht so einfach rekrutieren lassen. Sie saß ihm gegenüber, in weißer Leinenbluse und schwarzen Seidenhosen. Die Haare trug sie seit neuestem knabenhaft kurz, und Brunetti wurde die Vorstellung nicht los, dass sie von hinten wie ein weißhaariger Heranwachsender aussähe. Ihre Bewegungen waren immer noch flink und entschlossen, was sie ebenfalls deutlich jünger machte. Dass er oft Schwierigkeiten hatte, beim Gehen mit ihr mitzuhalten, schrieb Brunetti ihrer kleinen Gestalt zu: Damit kam sie in übervölkerten Gassen besser voran, und andere Gassen gab es in Venedig nicht mehr.

Es wurde Abend, Brunetti hatte seinen zweiten spritz auf dem Couchtisch vor sich stehen und beobachtete die Spiegelung der untergehenden Sonne in den Fenstern des Palazzo gegenüber dem Palazzo Falier. Zum ersten Mal an diesem Tag hatte er Ruhe gefunden; vermutlich kam das von den Drinks, aber auch von den hohen Decken, die die Räume unabhängig von der Außentemperatur kühl hielten, und von der Brise, die beharrlich durch die Fenster hereinwehte. Er sah die Vorhänge flattern, hin und her, hin und her, und überlegte, wie er seine Schwiegermutter dazu bringen könnte, Signor Gorini zu konsultieren.

»Es würde Vianello helfen«, sagte er, obwohl sie den Ispettore nur ein einziges Mal gesehen hatte, und da auch nur unterwegs, höchstens zwei Minuten lang.

Sie sah ihn an, blieb aber stumm. Dann beugte sie sich vor, nippte an ihrem spritz, ihrem ersten, und stellte das Glas auf den Tisch zurück. Von ihren Augen strahlten kleine Fältchen aus, über den Wangenknochen und unterm Kinn jedoch war die Haut glatt und straff. Dass hierfür nicht das Skalpell des Chirurgen, sondern Gene verantwortlich waren, wusste Brunetti von Paola.

»Und es könnte dieser alten Frau helfen«, sagte er.

»Eine alte Frau hilft einer anderen?«, fragte sie leichthin.

Er lachte, denn er wusste, was ihr Alter betraf, war sie nicht allzu empfindlich. »Nein, so doch nicht. Eher so, dass eine Frau der Oberschicht einer ehrbaren Frau aus armen Verhältnissen hilft.«

»Und ich ohne Lorgnette und Diadem?«

»Nein, im Ernst, Donatella. Diese Frau ist sonst verloren. Jemand manipuliert sie, aber sie will nicht auf ihre Familie hören, also können die ihr nicht helfen. Ihr Bankberater kann sie offenbar auch nicht zur Vernunft bringen. Und wenn sie wüsste, dass wir gegen Gorini ermitteln – was gegen sämtliche Regeln verstößt und wahrscheinlich sogar illegal ist –, würde sie die Beziehungen zu Vianello auf der Stelle abbrechen. Und das würde ihm sehr weh tun, das weiß ich.«

»Und deshalb ist die Aristokratie aufgefordert, eine Angehörige der unteren Klassen zu retten?«, meinte sie ironisch.

»So könnte man es nennen«, antwortete Brunetti und nahm noch einen Schluck.

»Hast du Beweise dafür, dass dieser Gorini ein Schwindler ist?«

»Er war in zahllose Machenschaften verwickelt.«

»Aha«, flüsterte sie, »genau wie unsere politischen Führer.«

Brunetti ließ das unkommentiert.

»Soll ich dir nachschenken?«, fragte sie, da sein Glas fast leer war.

»Nein danke. Ich möchte nach Hause, etwas essen, Paola anrufen und ins Bett. Ich habe den halben Tag im Zug verbracht.«



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