Arkadien erwacht by Kai Meyer

Arkadien erwacht by Kai Meyer

Autor:Kai Meyer
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Carlsen Verlag
veröffentlicht: 0101-01-01T00:00:00+00:00


Dunkelkuss

Vom ersten Augenblick an wusste sie, dass es ein Traum war.

Sie lag in ihrem Bett, und das Bett stand inmitten eines Dschungels. Von fleischigen Blättern tropfte Feuchtigkeit. Orchideen blühten inmitten des Halbdunkels, glühende Blumenaugen, die sie beobachteten. Riesige Schoten pulsierten im Schatten wie Lungenflügel, pumpten sich auf und fielen zusammen. Ein heißer Luftzug strömte durchs Unterholz und streichelte ihr das Haar von den nackten Schultern.

Irgendetwas fehlte und erst nach einem Moment wurde ihr klar, was es war. Tierlaute. Es herrschte fast völlige Stille in diesem Dschungel. Nur die aufgeblähten Lungenschoten rasselten und schnauften, während ein zartes Quietschen und Piepsen zwischen den Blättern hervordrang; sie brauchte weitere Augenblicke, ehe sie erkannte, dass es die Orchideen waren, die miteinander über sie redeten.

Jenseits der vorderen Bäume bewegte sich etwas, ein schwarzer Schemen streifte durch das Dickicht, lautlos, mit sanftem Pfotentritt. Rosa beobachtete ihn, wartete auf ihn, weil sie wusste, dass er zu ihr wollte.

Als er näher kam, war sie erstaunt über seine geschmeidige Anmut. Er löste sich als tintiger Fleck aus den Schatten und gerann erst im Licht zum Umriss eines Panthers. Geduckt, nach Raubkatzenart, schlich er einmal um das Bett, ehe er zu ihren Füßen stehen blieb und eine schwarze Pranke auf den blütenweißen Bezug legte. Die Orchideen tuschelten hastiger, in hektischer Erregung.

Sie saß jetzt aufrecht, die Bettdecke eine hohe weiße Wolke, über deren Rand sie kaum hinwegsehen konnte. Die Augen des Panthers glitzerten und ein silbriges Schimmern lag über seinem schwarzen Fell. Sie nahm alles an ihm mit überreizter Aufmerksamkeit wahr: die zitternden Schnurrhaare, seine glänzenden Lefzen und die rosa Zungenspitze, die zu sehen war, wenn er die Zähne zeigte.

In einer fließenden Bewegung sprang er zu ihr aufs Bett und schob sich am Fußende unter die Decke; sie kam ihr jetzt viel größer vor, sicher zwanzig Meter lang, und der Panther bewegte sich darunter, ein seichter Buckel in diesem Himmel aus Weiß. Erst jetzt fiel ihr auf, dass der Urwald verschwunden und das Bett noch riesiger geworden war, so weit, dass es in allen Richtungen bis zum Horizont reichte. Die Erhebung kam heran, vielleicht zehn, vielleicht hundert Schritt von ihr entfernt, eine Woge, die schon bald ihre nackten Beine erreichen musste.

Sie atmete schneller und das heisere Stöhnen, das eben noch von den Pflanzen ausgegangen war, drang jetzt aus ihr selbst hervor, kam warm und rhythmisch über ihre Lippen. Im Sitzen stützte sie ihren Oberkörper mit gestreckten Armen ab, die Handflächen fest aufgesetzt. Ihr blondes Haar fiel zurück, als sie den Kopf leicht in den Nacken legte, die Augen halb geschlossen in Erwartung seiner Berührung. Sie spürte, wie er sich unter der Decke näherte, fühlte das feine Beben der Matratze, so groß wie die ganze Welt, und Sinne, von denen sie nichts geahnt hatte, regten sich in ihr.

Sie wagte nicht mehr, an sich hinabzusehen, weil sie Angst hatte zu erwachen. Fürchtete, dass er mit einem Mal fort sein könnte und sie allein wäre. Aber das Zittern des Bettzeugs hielt an und wurde stärker, während er sich seinen Weg zu ihr bahnte.

Erst war



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