Anti Freud: Die Psychoanalyse Wird Entzaubert by Michel Onfray & Stephanie Singh

Anti Freud: Die Psychoanalyse Wird Entzaubert by Michel Onfray & Stephanie Singh

Autor:Michel Onfray & Stephanie Singh [Onfray, Michel & Singh, Stephanie]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 3813504085
Amazon: B008O8SRWI
Herausgeber: Albrecht Knaus Verlag
veröffentlicht: 2012-10-01T22:00:00+00:00


Indem Freud das Noumenon zur Definition des Unbewussten nutzte, offenbarte er, worum es ihm ging: Es handelte sich dabei um einen Baustein innerhalb der psychoanalytischen Konstruktion, der wissenschaftlich nicht erfasst werden konnte. Die Wissenschaft setzt eine experimentelle Methodik voraus, die auf Beobachtung, mithin unter Einsatz der fünf Sinne, des Körpers, des Gehirns und der Intelligenz basiert. Wissenschaftlichkeit bedeutet: betrachten, beobachten, Experimente wiederholen, erneut betrachten und beobachten, deduzieren; Hypothesen erproben; eine Vorgehensweise zu deren Überprüfung festlegen; lange, geduldige Untersuchungen im Labor oder in der Klinik durchführen; mit einer Arbeitsgruppe zusammenarbeiten und Ergebnisse vergleichen. Das Register des Noumenons begnügt sich dagegen mit performativen Äußerungen, die der Linguist J. L. Austin als Äußerungen definiert, mit denen man zugleich Handlungen vollzieht. Anders gesagt: Indem Freud vom Unbewussten sprach, erschuf er es. Die magische Schöpfung einer Welt durch bloße Äußerungen beschreibt exakt Freuds Methode: Er sagt etwas, und das Gesagte existiert.

Auf den 6000 Seiten von Freuds Gesamtwerk sucht man vergeblich nach einer klaren und präzisen Definition des Unbewussten. Freud erinnert hier an die Anhänger einer negativen Theologie, für die das Sprechen über Gott dessen Schwächung gleichkommt, und zwar aus dem einfachen Grund, dass die Benennung einer Eigenschaft den Ausschluss der entgegengesetzten Eigenschaft bedeutet und man sich keinen Gott vorstellen kann, dem auch nur eine einzige Eigenschaft fehlt. So verbietet sich jede Beweisführung. Nach diesem Prinzip verhinderte Freud von vornherein, aus methodologischer Sicht hinterfragt zu werden.

In »Selbstdarstellung«, dem Meisterwerk autobiographischer Legendenbildung, greift Freud allen potentiellen Einwänden vor: »Ich habe wiederholt die geringschätzige Äußerung gehört, man könne nichts von einer Wissenschaft halten, deren oberste Begriffe so unscharf wären wie die der Libido und des Triebes in der Psychoanalyse. Aber diesem Vorwurf liegt eine völlige Verkennung des Sachverhalts zugrunde. Klare Grundbegriffe und scharf umrissene Definitionen sind nur in den Geisteswissenschaften möglich, soweit diese ein Tatsachengebiet in den Rahmen einer intellektuellen Systembildung fassen wollen. In den Naturwissenschaften, zu denen die Psychologie gehört, ist solche Klarheit der Oberbegriffe überflüssig [sic], ja unmöglich.« (Bd. XIV, S. 84) Es folgen Überlegungen zur Unfähigkeit der Zoologie und der Botanik, Tier und Pflanze von Anfang an richtig zu definieren, sowie über die Tatsache, dass die Biologie im Jahr 1925 keine überzeugende Definition von Leben und die Physik lange keine exakten Beschreibungen von Materie, Kraft oder Gravitation habe liefern können. Die ehrenhaftesten Wissenschaften hätten sich einst im selben Embryonalstadium befunden wie die Psychoanalyse. Freuds performative Äußerungen entbanden ihn also von der riskanten Pflicht, Unbewusstes, Libido und Trieb klar definieren zu müssen.

Wie kann man aber die Grundlagen der Psychoanalyse begreifen, wenn Definitionen weder möglich noch denkbar sind? Schlagen wir das berühmte Vokabular der Psychoanalyse von Laplanche und Pontalis auf. Dort wird das Unbewusste als die große Entdeckung Freuds bezeichnet. Es bildet also das Zentrum der Psychoanalyse. Und doch kann man es nicht benennen, präzisieren oder klar definieren. In der Traumdeutung wird diese Unmöglichkeit sogar Teil der Theoriebildung, denn dort heißt es, das Unbewusste sei das Verdrängte und selbiges per definitionem unsichtbar.



Download



Haftungsausschluss:
Diese Site speichert keine Dateien auf ihrem Server. Wir indizieren und verlinken nur                                                  Inhalte von anderen Websites zur Verfügung gestellt. Wenden Sie sich an die Inhaltsanbieter, um etwaige urheberrechtlich geschützte Inhalte zu entfernen, und senden Sie uns eine E-Mail. Wir werden die entsprechenden Links oder Inhalte umgehend entfernen.