Ansichten eines Clowns by Heinrich Böll

Ansichten eines Clowns by Heinrich Böll

Autor:Heinrich Böll [Böll, Heinrich]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 0101-01-01T00:00:00+00:00


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Ich sah sie im Dunkel nach Haus kommen. Der scharf gebürstete Rasen sah im

Mondlicht fast blau aus. Neben der Garage abgeschnittene Zweige, vom Gärtner

dort aufgehäuft. Zwischen Ginster und Rotdornbusch der Abfalleimer, zum Abholen bereit. Freitagabend. Schon würde sie wissen, wonach es in der Küche roch, nach Fisch, sie würde auch wissen, welche Zettel sie finden würde, den einen von Züpfner auf dem Fernsehapparat: »Mußte noch dringend zu F. Kuß. Heribert«, den anderen vom Mädchen auf dem Eisschrank: »Bin ins Kino, um zehn zurück. Grete (Luise,

Birgit).«

Garagentor öffnen, Licht anknipsen: an der weißgetünchten Wand der Schatten

eines Rollers und einer ausrangierten Nähmaschine. In Züpfners Box der Mercedes bewies, daß Züpfner zu Fuß gegangen war. »Luft schnappen, ein bißchen Luft

schnappen, Luft«. Dreck an Reifen und Kotflügeln kündete von Eifelfahrten,

nachmittäglichen Reden vor der Jungen Union (»zusammenhalten, zusammenstehen,

zusammen leiden«).

Ein Blick nach oben: auch im Kinderzimmer alles dunkel. Die Nachbarhäuser durch zweispurige Einfahrten und breite Rabatten getrennt. Kränklich der Widerschein der Fernsehapparate. Da wird der heimkehrende Gatte und Vater als störend

empfunden, wäre die Heimkehr des verlorenen Sohnes als Störung empfunden

worden; kein Kalb wäre geschlachtet, nicht einmal Hähnchen gegrillt worden - man hätte schnell auf einen Leberwurstrest im Eisschrank verwiesen.

An Samstagnachmittagen gab es Verbrüderungen, wenn Federbälle über Hecken

flogen, junge Katzen oder Welpen wegliefen, Federbälle zurückgeworfen, junge

Katzen - »oh, wie süß« - oder junge Welpen - »oh, wie süß« - an Gartentoren oder durch Heckenlücken zurückgereicht wurden. Gedämpft die Gereiztheit in den

Stimmen, nie persönlich;

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sie riß nur manchmal aus der gleichmäßigen Kurve aus und kratzte Zacken in den Nachbarschaftshimmel, immer aus nichtigen, nie aus den wahren Anlässen: wenn eine Untertasse klirrend zerbrach, ein rollender Ball Blumen knickte, Kinderhand

Kieselsteine auf Autolack schleuderte, Frischgewaschenes, Frischgebügeltes von Gartenschläuchen genetzt wird - werden die Stimmen schrill, die wegen Betrug, Ehebruch, Abtreibung nicht schrill werden dürfen. »Ach, du hast einfach überempfindliche Ohren, nimm was dagegen.«

Nimm nichts, Marie.

Die Haustür geöffnet: still und angenehm warm. Das kleine Mariechen oben

schläft. So rasch geht das: Hochzeit in Bonn, Flitterwochen in Rom,

Schwangerschaft, Entbindung - braune Locken auf schneeweißem Kinderkopfkissen.

Erinnerst du dich, wie er uns das Haus zeigte und vital verkündete : Hier ist für zwölf Kinder Platz - und wie er dich jetzt morgens beim Frühstück mustert, das unausgesprochene Na auf den Lippen, und wie unkomplizierte Konfessions- und

Parteifreunde nach dem dritten Glas Kognak ausrufen: »Von eins bis zwölf, da

fehlen nach Adam Riese noch elf!«

Es wird geflüstert in der Stadt. Du bist schon wieder im Kino gewesen, an diesem strahlenden sonnigen Nachmittag im Kino. Und schon wieder im Kino - und wieder.

Den ganzen Abend allein im Kreis, bei Blothert zu Hause, und nichts als Ka Ka Ka im Ohr, und diesmal war nicht das -nzler die Ergänzung, sondern das -tholon. Wie ein Fremdkörper rollt dir das Wort im Ohr herum. Es klingt so nach Klicker, klingt auch ein bißchen nach Geschwür. Blothert hat den Geigerzähler, der das Katholon aufzuspüren vermag. »Der hats - der hats nicht - die hats - die hats nicht.« Das ist wie beim Blätterrupfen: sie liebt mich, sie liebt mich nicht. Sie liebt mich. Da werden Fußballklubs und Parteifreunde, Regierung und Opposition aufs Katholon geprüft.



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