Anmerkungen zu Stalin (German Edition) by Wolfgang Leonhard
Autor:Wolfgang Leonhard [Leonhard, Wolfgang]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Sachbücher/Geschichte/20. Jahrhundert (bis 1945)
Herausgeber: Rowohlt E-Book
veröffentlicht: 2014-12-28T05:00:00+00:00
DIE VERSTÄRKUNG DES RUSSISCHEN NATIONALISMUS
Gegen Ende der dreißiger Jahre gab Stalin seiner Propaganda wiederum eine neue Richtung. Nun wurde nicht mehr nur die Sowjetunion als Vaterland des Proletariats und der Werktätigen proklamiert. Vielmehr trat Russland in den Vordergrund. Die Bedeutung des Begriffs «Vaterland», der bisher die gesamten Republiken der Sowjetunion eingeschlossen hatte, begann sich zu wandeln. In den zwanziger und bis weit in die dreißiger Jahre galten noch die Parolen von Völkerverständigung und Völkerfreundschaft in den Unionsrepubliken und autonomen Republiken der Sowjetunion. Als Stalin 1931 erklärt hatte, nach dem Sturz des Kapitalismus «haben wir ein Vaterland und werden seine Unabhängigkeit verteidigen», verstand er darunter noch die gesamte Sowjetunion, einen Vielvölkerstaat, in dem die Russen nur etwas mehr als die Hälfte der Bevölkerung bildeten.
Nach 1939 spielte in Propaganda wie Selbstdarstellung mehr und mehr Russland eine herausgehobene Rolle. Zu Anfang des Krieges, im November 1941, sprach Stalin bereits von der «großen russischen Nation», ohne die übrigen Nationalitäten der UdSSR zu erwähnen. Der endgültige Bruch mit dem Grundsatz erfolgte 1943, als der Diktator plötzlich erklärte: «Wir haben die Gleichberechtigung, aber wir haben auch ein führendes Volk! Und das führende Volk der Sowjetunion, das ist Russland!» Das russische Volk war nun offiziell das «erste unter gleichen».
Kurz nach Kriegsende, am 24. Mai 1945, nannte Stalin folgerichtig das russische Volk die führende Kraft unter den Völkern der Sowjetunion: «Ich möchte einen Toast auf das Wohl unseres Sowjetvolkes und besonders auf das Wohl des russischen Volkes ausbringen, weil es die hervorragendste Nation unter allen zur Sowjetunion gehörenden Nationen ist. Ich bringe einen Toast auf das Wohl des russischen Volkes aus, nicht nur, weil es das führende Volk ist, sondern auch, weil es einen klaren Verstand, einen standhaften Charakter und Geduld besitzt.»
Der großrussische Nationalismus wurde zur herrschenden Ideologie. Dieser Wandel spiegelte sich auch im offiziellen Sprachgebrauch: Seit Mitte der dreißiger Jahre sprach man nicht mehr von den «Völkern der Sowjetunion», sondern vom «Sowjetvolk». Gleichzeitig begann die Verherrlichung Moskaus in Liedern, Gedichten, Filmen, Artikeln und offiziellen Erklärungen. Die Vorstellung von einer Union selbständiger Republiken wich der von einem zentralistischen Staat.
Stalin hatte auf diese Entwicklung hingearbeitet. So wurden beispielsweise seit Ende der zwanziger Jahre die Alphabete einiger nicht-russischer Nationalitäten wieder umgestellt. Nach der Revolution hatten sie eigene Alphabete entwickelt, die auf der lateinischen Schrift basierten. Gerade als die Jugend dieser Völkerschaften sich nunmehr mit dem jeweiligen Alphabet vertraut gemacht hatte, wurde es annulliert und stattdessen das russische (kyrillische) eingeführt. Die Umstellung konnte nur einen einzigen Zweck haben: eine für später geplante Russifizierung dieser Völkerschaften vorzubereiten.
Sie drückte sich auf formeller Ebene auch in der Zusammensetzung des Obersten Sowjets aus, wo im Nationalitätensowjet, in dem die einzelnen Unionsrepubliken gleichrangig vertreten sein sollten, bis zu zwanzig Prozent russische Abgeordnete saßen.
Hinzu kam, dass Stalin ebenfalls seit Ende der zwanziger Jahre immer mehr die russische Vergangenheit als patriotisches Vorbild für die Gegenwart herausstellte. Statt sich auf die Oktoberrevolution von 1917 zu berufen, rief Stalin die Heldentaten russischer zaristischer Generäle und Feldherren in Erinnerung, selbst die früherer Zaren, unter ihnen Peter der Große und Iwan der Schreckliche (wobei dieses Attribut niemals gebraucht wurde, sondern immer von Iwan IV.
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