Andreas Brandhorst - Kantaki 6 by Feuerträume
Autor:Feuerträume [Feuerträume]
Die sprache: eng
Format: epub
veröffentlicht: 2011-07-31T15:00:21+00:00
15. Verfolger
Heres
Fast zwei Stunden vergingen, für Dominique eine quälend lange Zeit. Sie verbrachte sie damit, durch die große Wohnung zu wandern, die sich an der Außenwand des urbanen Kerns von Urhanna erstreckte – alle Zimmer verfügten über große Panoramafenster mit atemberaubendem Ausblick –, und sich immer wieder die vielen Einrichtungsgegenstände anzusehen, deren Zweck nicht immer er-sichtlich war. Abgesehen von einem Mobiliar, das sich durch sanfte Rundungen auszeichnete, gab es zahlreiche Kunstobjekte, die meisten von ihnen Gemälde, die wirre Farben und Formen zeigten, und Statuen aller Größen, offenbar Phantasiegeschöpfen nachempfunden. Hinzu kamen technische Gegenstände, wie Dominique sie noch nie zuvor gesehen hatte. Einmal nahm sie einen Apparat zur Hand, legte ihn aber schnell wieder beiseite, als Tarweder sie davor warnte, damit herumzuspielen. Der Alte kannte die Wohnung gut und erklärte ihr dies und das, aber Dominique hörte kaum hin, blieb immer wieder an einem der großen Fenster stehen und sah nach drau-
ßen, ließ den Blick in die Ferne schweifen. Sie sah die Turm- und Terrassenstädte des Zweiten Dominiums und versuchte, sich einen Verbund aus vier Welten vorzustellen oder vielleicht aus fünf.
Nach einer guten Stunde bekam sie Kopfschmerzen und massierte sich immer wieder die Schläfen, während sie ihre unruhige Wanderung fortsetzte. Es lag vermutlich nicht nur an äußeren Einflüssen wie dem Odem, sondern auch an der unablässigen inneren Anspannung. Dominique hasste es untätig zu warten, während mindestens ein Dominanter nach ihr suchte – und sie früher oder später finden würde. Hinzu kam das deutliche Gefühl, dass ihr die Zeit wie Sand zwischen den Fingern zerrann. Kiwitt begleitete sie eine Zeit lang, als sie durch die einzelnen Zimmer ging, aber sie schenkte ihm ebenso wenig Beachtung wie Tarweder.
»Vielleicht solltest du dich hinlegen und schlafen«, sagte er irgendwann. »Du hast dich noch nicht erholt.«
Dominique antwortete nicht, rang mit ihrer Unruhe, dachte an Rupert und fragte sich zum tausendsten Mal, ob es tatsächlich ein fünftes Dominium gab, einen Ort, an dem die Kantaki damals Zuflucht gesucht hatten.
Als Davvon schließlich eintraf, war sie fast enttäuscht, dann sie hatte sich Befreiung von dem zunehmenden Druck in ihrem Innern erhofft. Doch es änderte sich nichts an ihrer prickelnden Nervosität und Unruhe. Alles in ihr drängte danach, die passive Rolle aufzugeben und wieder zum bestimmenden Faktor des Geschehens zu werden. Doch die Umstände legten ihr immer wieder Fesseln an, die sie nicht zerreißen konnte.
Davvon schwebte mit seinem Levitationssessel herein, landete am Fenster des Salons und neigte den Sessel so, dass sein Rücken senk-recht war und die Füße den Boden fast berührten. Zwei Personen hätten kaum unterschiedlicher sein können als er und Tarweder, und Dominique fragte sich nach dem Grund für die krassen physischen Unterschiede zwischen Vater und Sohn. Der Odem, vermutete sie. Der mutative Einfluss, der vom Berg der Dominanten bei Zontra ausging.
Sie blieb abseits, und selbst Kiwitt schien bestrebt zu sein, Tarweder und Davvon eine angemessene Privatsphäre zu gewähren. Doch nachdem das leise Gespräch zwischen Vater und Sohn schon fast eine halbe Stunde gedauert hatte, hielt Dominique es nicht länger aus und trat zu ihnen.
»Tarweder, Davvon … Es tut mir leid, euch zu stören, aber die Zeit drängt.
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