An der Wiege Europas. Städtische Freiheit im antiken Rom by Werner Dahlheim
Autor:Werner Dahlheim [Dahlheim, Werner]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783105616215
Herausgeber: FISCHER Digital
Das Bedürfnis nach öffentlicher Gemeinschaft
Öffentlicher und privater Raum
Solcher Patrone konnten sich nur die Weltstädte des Imperiums rühmen, und nur sie lassen sich mit modernen vergleichen: Die Bevölkerung von Konstantinopel, Antiochia, Alexandria und Karthago zählte nach Hunderttausenden, Trier, Lyon, Mailand, Köln, Paris, London und die Metropolen der Provinz Asia nach Zehntausenden. Rom, die Hauptstadt des Reiches und die Residenz des Kaisers, erreichte unter Augustus rund eine Million Einwohner; bis ins 18. Jahrhundert ist keine andere Stadt der Welt je wieder so groß geworden. Die meisten Städte nahmen jedoch nur den Umfang einer heutigen Dorfmark ein, bei der die Felder in Reichweite der Siedlung liegen; dort lebten zwischen 4000 und 7000 Menschen.
Die Folge dieser kleinen und überschaubaren Lebensformen war, daß alle Bürger gesellschaftlich (häufig auch persönlich) miteinander verbunden waren. Politik und Privatleben durchdrangen einander ganz selbstverständlich, Freund- und Feindschaften äußerten und entluden sich im alltäglichen Miteinander auf beiden Ebenen. Private Händel der großen Familien verglich Plutarch gar mit Feuersbrünsten, die in Privathäusern entstanden und ganze Städte zugrunde richteten: »Es sind nicht immer Streitigkeiten über öffentliche Angelegenheiten, die den Aufruhr in Städten entzünden, sondern oft verbreiten sich private Zänkereien und Beleidigungen im Volk und erschüttern eine ganze Stadt.«[175] Plutarch nennt Beispiele für seine Furcht, und sie klingen wie in Shakespeares Romeo und Julia die Geschichte vom Streit der Montagues und Capulets: Da ist der Bräutigam, der seine Braut am Hochzeitstag angeblich wegen eines bösen Omens verläßt und vom tief gekränkten Vater der Verschmähten als vermeintlicher Dieb vom Felsen herabgestürzt wird; die daraufhin ausbrechende blutige Familienfehde endet erst, als die Stadtväter von Delphi den rasenden Schwiegervater und seine Anhänger töten und ihr Vermögen einziehen lassen. Und da sind zwei Freunde, die zu Todfeinden werden, als der eine das Vertrauen des anderen ausnutzt und dessen Lieblingsknaben notzüchtigt, worauf dieser die Frau seines Freundes zum Ehebruch verführt; Mord und Totschlag folgen und bringen die Stadt an den Rand des Bürgerkrieges. »Solche Privatfeindschaften«, mahnt Plutarch eindringlich, »verbreiten sich wie Krankheiten; der Staatsmann darf sie also nicht leichtnehmen, sondern muß beizeiten zugreifen und das Übel auf jede erdenkliche Weise unterdrücken.« Diese Sorgen beweisen, daß die antiken Notabeln ihren mittelalterlichen Nachfahren weit mehr als den Staatsbeamten der Neuzeit glichen. Wie jene waren auch sie latent bereit, ihre Städte zu Turnierfeldern der Macht und der Rache zu machen, von denen in Genua, Bologna, Siena und anderswo die Geschlechtertürme zeugen; daß es sie in den Städten des Imperiums nicht gab, lag allein an der starken Hand des römischen Herren, der private Fehden nicht duldete und jeden aus der Stadt warf, der Händel austragen wollte.
Solche Geschichten zeigen, daß das politische und gesellschaftliche Leben in der Stadt viel intensiver als in den frühen Dorf- oder Stammesgemeinschaften war: In den engen Gassen der Stadt wurde ständig über alles und jedes, vor allem aber über Politik und Religion räsoniert und palavert. So war es im demokratischen Athen, so war es Hunderte Jahre später in Konstantinopel. Diese Stadt, jammerte im Juni 383 der indignierte Bischof Gregor von Nyssa, sei voll von Banausen, Händlern, Kleinkrämern, Hausdienern und
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