An der Mordseeküste by Minck Lotte

Autor:Minck, Lotte [Minck, Lotte]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783770041169
Herausgeber: Droste Verlag
veröffentlicht: 0101-01-01T00:00:00+00:00

Kapitel 16

Die schnelle Eingreiftruppe formiert sich: Minipli-Man, Paragrafen-Boy und Hornbrillen-Girl (und Heini, natürlich)

In diesem Moment, als ich sowieso vergeblich um eine beruhigende oder logische Antwort rang, wurde unser Treffen unterbrochen, weil Okko Harms nun mit Frank sprechen wollte.

Zu sagen, ich war deswegen erleichtert, wäre sicherlich übertrieben, aber es ging durchaus in diese Richtung. Ich war heillos überfordert mit der Situation, die sich seit dem Morgen rasant entwickelt hatte. Zumindest in Gesellschaft von Frank sollte ich – wie Okko Harms empfohlen hatte – Ruhe und Zuversicht ausstrahlen, aber ich wusste beim besten Willen nicht, wie ich das bewerkstelligen sollte.

Zu gern hätte ich meinen verstörten Freund in den Arm genommen, ihn getröstet und ihm geschworen, dass bald alles wieder gut sein würde und er in Sicherheit war.

Nun, ironischerweise war Frank insofern tatsächlich in Sicherheit, als er von zahlreichen Ordnungshütern umgeben war und der Mensch, der ihm hatte schaden wollen, nicht mehr auf Gottes schöner Erde wandelte.

Noch viel, viel ironischer war allerdings, dass gerade der Tod von Julius Mühling noch wesentlich mehr Potenzial hatte, Frank zu schaden.

So froh ich gerade war, das Weite suchen zu können, so schwer fiel es mir, mich von ihm zu verabschieden. Ich hatte keine Vorstellung davon, wann oder wo oder unter welchen Umständen wir uns wiedersehen würden. In meiner schlimmsten Fantasie fand unser nächstes Treffen vor Gericht statt, wo ein Staatsanwalt in wallender Robe anklagend auf meinen Freund zeigte und mit donnernder Stimme verkündete, Frank habe Mühling aus niederen Beweggründen heimtückisch ermordet und müsse lebenslang ins Gefängnis – ohne Chance auf vorzeitige Entlassung.

War zwar Quatsch, aber trotzdem ziemlich gruselig.

»Gestatten Sie uns eine Umarmung zum Abschied?«, fragte ich unsere Aufpasserin.

Meike Benninga wirkte für einen Moment lang so, als würde sie weich werden, aber dann schüttelte sie den Kopf. »Nein. Das kann ich nicht erlauben.«

Doch, das könntest du, wenn du wolltest, du blöde Ziege, dachte ich wütend, aber du willst nicht.

Ich sah Frank an. »Soll ich mich um irgendetwas kümmern? Fällt dir etwas ein, das besonders wichtig ist?«

»Bärbel …«, erwiderte er. »Sach ihr, dat et mir so wat von leidtut. Und sonz … Sie weiß Bescheid.«

»Dein Arbeitgeber?«

Er wurde blass. Daran hatte er offenkundig noch nicht gedacht. Würde das wohl einen guten Eindruck machen, wenn er erfuhr, dass sein Angestellter unter Mordverdacht stand und zurzeit eingesperrt war? Und dass man nicht wirklich genau wusste, wann er wieder auf freien Fuß kommen würde?

Hm … mal überlegen …

Nein, das würde es nicht.

»Ich hab ja noch Urlaub«, flüsterte er, »noch drei Wochen. Vielleicht is ja bis dahin allet vorbei?«

Er sah mich hoffnungsvoll an, und ich nickte.

Blieb zu hoffen, dass die Zeit reichte, um den Mord an Julius Mühling aufzuklären.

Vor der Tür stand Okko Harms. Die sorgenvollen Querfalten auf seiner Stirn versetzten mich in höchste Alarmbereitschaft.

»Was hat Kommissar …«

Er unterbrach mich mit einer Handbewegung. »Nicht jetzt, Frau Luchs. Darüber reden wir später.«

Ich solle in einem Café auf ihn warten, sagte er, und beschrieb mir den Weg dorthin. Da ich kein Geld bei mir hatte, fummelte er einen zerknüllten Zwanziger aus seiner Hosentasche und gab ihn mir.

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