Ambler-Warnung by Ludlum R

Ambler-Warnung by Ludlum R

Autor:Ludlum, R [Ludlum, R]
Die sprache: deu
Format: epub, mobi
veröffentlicht: 2012-07-02T22:00:00+00:00


Als Caston in sein Büro zurückkam, verspürte er ein wachsendes Gefühl der – nun, wahrscheinlich war es Unsicherheit. Adrian wirkte wie immer unpassend gut gelaunt, aber wenigstens Castons Schreibtisch war beruhigend ordentlich: Füller und Bleistift lagen nebeneinander, berührten sich aber nicht. Die dünne Mappe lag genau fünf Zentimeter links davon, und sein Computerbildschirm stand exakt parallel zur Schreibtischkante.

Caston ließ sich schwer in seinen Stuhl fallen. Seine Hände schwebten über der Tastatur. Risiko, Unsicherheit, Unwissenheit. Die Begriffe wucherten in seinem Verstand wie Algen am Meeresgrund.

»Adrian«, sagte er abrupt. »Ich habe eine Keramikurne, die mit schwarzen und weißen Bällen gefüllt ist.«

»Wirklich?« Der junge Mann sah sich vorsichtig in Castons Büro um.

»Stellen Sie sich vor, ich hätte eine«, grummelte der Revisor.

»Super.«

»Sie wissen, dass genau die Hälfte der Bälle schwarz, und die andere Hälfte weiß ist. Es sind tausend Bälle. Fünfhundert schwarze, fünfhundert weiße. Jetzt sollen Sie blind einen Ball ziehen. Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass der Ball schwarz ist?«

»Ah, fünfzig Prozent?«

»Jetzt stellen Sie sich vor, ich hätte noch eine weitere Urne, die in derselben Ballfabrik gefüllt wurde. Sie wissen, dass sie schwarze Bälle oder weiße Bälle oder beides enthält. Aber mehr wissen Sie nicht. Keine Ahnung, ob mehr weiße oder mehr schwarze Bälle in der Urne sind. Vielleicht sind alle Bälle schwarz. Oder alle weiß. Vielleicht sind es je gleich viele. Vielleicht ist nur ein Ball in der Urne, vielleicht sind es aber auch tausend. Sie wissen es einfach nicht.«

»Also weiß ich eigentlich gar nichts«, sagte Adrian. »Nur, dass schwarze und/oder weiße Bälle in der Urne sind. Richtig?«

»Richtig. Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass Sie einen schwarzen Ball herausziehen?«

Adrian legte seine glatte Stirn in Falten. »Woher soll ich wissen, wie hoch die Wahrscheinlichkeit ist? Es könnten hundert Prozent sein oder null. Und alles, was dazwischenliegt.« Er fuhr sich mit der Hand durch sein dichtes schwarzes Haar.

»Richtig. Aber wenn Sie eine Wahrscheinlichkeit bestimmen müssten? Stünden die Chancen zehn zu eins, dass der Ball schwarz ist? Hundert zu eins? Null zu eins? Was schätzen Sie?«

Der junge Mann zuckte mit den Schultern. »Ich müsste wieder eins zu eins sagen. Fünfzig Prozent.«

Caston nickte. »Das würde jeder Experte genauso machen. Man sollte sich in einer Situation, über die man fast nichts weiß, genauso verhalten wie in einer Situation, über die man fast alles weiß. In den zwanziger Jahren gab es einen Ökonomen namens Frank Knight, der zwischen Risiko und Unsicherheit streng unterschied. Er sagte, dass beim Risiko Zufälligkeiten durch Wahrscheinlichkeiten gezähmt werden. Bei Unsicherheit weiß man nicht mal, was die Wahrscheinlichkeiten sind. Aber ganz so einfach ist es nicht. Von Neumann und Morgenstern erkannten, dass sogar Unwissenheit quantitativ bestimmt wird. Sonst würden alle unsere Systeme zusammenbrechen.«

»Hat Ihr Vortrag etwas mit einer Urne zu tun, auf der >Tarquin< steht, Meister?« Adrians Lippen-Piercing glitzerte im Neonlicht.

Caston gab ein Geräusch von sich, das irgendwo zwischen einem Grunzen und einem Lachen lag. Er griff nach der Fotokopie eines taiwanesischen Zeitungsartikels aus der Mappe, die man ihm heute Morgen geschickt hatte. Caston konnte den Artikel nicht lesen, und eine Übersetzung war nicht dabei.



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