Amanda und Eduard by Mereau Sophie

Amanda und Eduard by Mereau Sophie

Autor:Mereau, Sophie
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: (Privatkopie)
veröffentlicht: 2010-02-02T16:00:00+00:00


Dein Brief thaut Balsam auf mein wundes Herz, und gräbt die Wunde doch tiefer. Ich denke mich bis zum Wahnsinn in alle verschiedenen Lagen hin, worinnen ich Dich so oft gesehn. Ach! daß ich die Träume, die die Sehnsucht Deinem Auge entlockt, wenn Du einsam in die nächtliche Gegend blickst, nicht von Deinen Wangen küssen kann! daß ich nicht mehr gegenwärtig bin, um die Musik Deiner Rede zu vernehmen, wenn Deine Lippen sich so anmuthsvoll bewegen, daß ich oft selbst das Hören darüber vergaß! – Kann der todte Buchstabe mir ersetzen, was einst so lebensvoll, so göttlich vor mir stand? – Nein! meine Empfindung gleicht der Empfindung eines Greises, der aus dem Schatten der Ruhe noch einmal auf den schimmernden Blumenpfad seiner Jugend zurückblickt. Alles Glück liegt hinter ihm, und vor ihm, eine stille, leere, dunkle Gegend.

Ein Plätzchen habe ich hier gefunden, heimlich zwischen Bergen und Gesträuch, dem Garten ähnlich, wo einst Engel zu mir herabstiegen. Hier will ich mir eine kleine Kapelle bauen, einfach, prunklos und mit weichem Boden, daß man leise geht, wie der verstohlne Tritt der Liebe. Ueber dem Altar hängt Dein Bild; auf ihm liegt alles, was ich je in seligen Stunden von Bändern, Blumen und Briefen von Dir erhielt. Vier Säulen sind darinnen, der Phantasie, Erinnerung, Hoffnung und Liebe geweiht, und jede trägt das Gemälde einer Sonne aus der kurzen Blüthenzeit meines Glücks. Zuweilen muß ich auch einen Menschen mit mir dahin führen, um dort zu beten, denn welcher Genuß ist ungetheilt? – Aber behutsam, sehr behutsam werde ich sein in meiner Wahl, und wol manches Jahr wird hingehen, daß keiner in den Tempel meiner Allgegenwärtigen tritt. Und wenn auch einer der Erste seines Jahrhunderts wäre, so müßte er dennoch geliebt, glücklich geliebt haben, wenn er mich begleiten dürfte. Aber große Menschen werden nicht ohne Liebe; sie allein bringt uns den Vollkommnen näher. – Wäre nur meine Kapelle schon fertig, daß ich mich in den heissen Augenblicken der Unruhe und der Sehnsucht, dahin verbergen könnte!



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