Am Ende der Nacht by Muller Marcia

Am Ende der Nacht by Muller Marcia

Autor:Muller, Marcia [Muller, Marcia]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 0101-01-01T00:00:00+00:00


13

Die Frau im Flugschulbüro war gerade am Telefonieren, also ging ich um den Tresen herum und schaute selbst auf den Plan: Nur Gray Selby unterrichtete heute.

»Das paßt«, knurrte ich, während ich mit dem Finger die Spalte hinunterfuhr und feststellte, wann er von seiner letzten Flugstunde zurückkommen mußte. Durch eine solche Kleinigkeit wie einen tödlichen Absturz innerhalb der Flugplatz-Familie ließ sich doch ein Selby nicht aus seiner Alltagsroutine bringen. Teufel noch mal, er schnappte sich wahrscheinlich gerade Mattys Schüler.

Wieder draußen, schaute ich zu den Bergen empor und sah, daß sich über ihnen dunkelbäuchige Wolken türmten. Der Wind hatte gedreht, die Luft war kühler geworden. Novemberwetter, rasch wechselnd und für Flieger gefährlich. Ich mußte daran denken, wie Matty einmal mit geübtem Blick den spätherbstlichen Himmel studiert und zu mir gesagt hatte: »Wenn ich so was sehe, weiß ich, da kommt was.«

Sie sagte es so bestimmt, daß ich mir sicher war, gleich in die Mysterien des Wetters eingeführt zu werden, und ich fragte eifrig:

»Was?«

Sie hatte achselzuckend geantwortet: »Irgendwas.«

Bei dieser Erinnerung mußte ich nicht lächeln, wie das sonst wohl der Fall gewesen wäre. Vielmehr überkam mich eine neue Welle der Trauer und der Wut auf die Person, die Matty auf dem Gewissen hatte.

Als ich auf den Parkplatz der Seabrookschen Weihnachtsbaumfarm fuhr, setzte der Regen ein — dicke, platschende Tropfen, die mich in meinem MG einsperrten, bis es nach ein paar Minuten nachließ. Das rot-grüne Holzhaus zierte eine Tannenzweiggirlande, mit gold- und silberfarbenen Bändern umwunden, die jetzt völlig durchweicht waren. Holzrentiere tummelten sich auf dem schmalen Rasenstück. Ein schmutzig-weißer Pickup stand rechts neben dem Gebäude, und ich klopfte an das zweiflüglige Tor, in der Hoffnung, Wes Payne anzutreffen.

Nach ein paar Sekunden wurde ein Riegel geöffnet, und die eine Torhälfte schwang auf. Payne lugte heraus. Heute sah er nicht aus wie ein fröhliches Weihnachtsmanndouble. Sein Gesicht war blaß, die Augen gerötet, der Mund hart. Er blinzelte verdutzt, als er mich erkannte.

»Sie hätten doch nicht den ganzen Weg hierherzukommen brauchen, nur weil ich angerufen habe.«

»Sie haben mich angerufen? Wann?« Ich trat meine Dreckschuhe auf einer Fußmatte ab und folgte ihm hinein.

»Vor zwei, drei Stunden. Ich wußte nicht recht, ob ich’s tun sollte, aber die Frau hat gemeint, es sei das einzig Richtige.«

»Was ist passiert?«

»Zach ist verschwunden. Die Frau und ich, wir waren übers Wochenende bei unserer Tochter in Danville. Wie wir das mit Matty gehört haben, wollten wir bei den Leuten anrufen, wo der Junge hätte sein sollen, aber dort war keiner. Gestern abend haben wir sie dann endlich erreicht, und es hat sich rausgestellt, daß er gar nicht dort war, weil der Sohn von den Leuten krank geworden ist — so krank, daß sie die letzten drei Tage hauptsächlich im Krankenhaus von Santa Rosa zugebracht haben.«

»Himmel, ich hätte Ihnen Bescheid sagen sollen! Zach ist am Freitag mit mir nach San Francisco geflogen. Er ist jetzt dort bei Freunden von mir.« Wie dumm, nicht bedacht zu haben, daß sich die Paynes Sorgen machen würden.

»Oh, na, da bin ich aber froh. Wie geht’s ihm?«

»Ganz gut. Die Leute, bei denen er ist, können gut mit Kindern umgehen und mögen ihn.



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