Am Anfang war das Korn - eine andere Geschichte der Menschheit by Küster Hansjörg
Autor:Küster, Hansjörg [Küster, Hansjörg]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783406652189
Herausgeber: C.H.Beck
veröffentlicht: 2014-11-23T16:00:00+00:00
Zweig vom Färberwaid mit Blüten und unreifen Früchten.
Offenbar durch die Vermittlung der Skythen geriet der Hanf auch in den Bereich der eisenzeitlichen keltischen Kultur in Mitteleuropa. Aus Hanffasern hergestellte Stoffe fanden sich unter anderem im Grabhügel des Keltenfürsten von Hochdorf bei Stuttgart aus dem sechsten Jahrhundert v. Chr.
Hanf wurde seit der Antike verbreitet angebaut; Hanffasern erlangten eine große Bedeutung für die Schifffahrt. Taue und Segel wurden aus diesem Rohstoff hergestellt, dessen Haltbarkeit Wasser nichts anhaben kann.
Auf dem gleichen Weg wie der Hanf kam möglicherweise eine wichtige Färbepflanze in der Eisenzeit nach Mitteleuropa, und zwar der Waid oder Färberwaid (Isatis tinctoria). Dabei handelt es sich um ein Kreuzblütengewächs mit dem gleichen Inhaltsstoff wie die aus Indien stammende Indigopflanze. Die Blätter und Stängel der gelb blühenden Pflanze verfärben sich dann, wenn sie vertrocknen, blauschwarz. Diese Farbe tritt ebenso zum Vorschein, wenn man die Pflanzen erntet und sie in einem flachen Becken einem Fermentationsprozess unterwirft. Man kann diesen Prozess dadurch beschleunigen, dass man das Erntegut im Fermentationsbecken nicht nur mit Wasser, sondern auch mit Harn bedeckt. Darauf soll sich – nach einer, nicht der einzigen Ansicht dazu – der Begriff vom «blauen Montag» beziehen. Montags, so heißt es, wurden Menschen nach sonntäglichem Alkoholgenuss «bestellt», um den Inhalt des Beckens «blau zu machen».
Der Waid, der eine besonders kostbare Farbe lieferte (sein Blau ziert die Kleidung von Maria und vielen Heiligen auf Gemälden des Mittelalters und der frühen Neuzeit), kam wohl in der keltischen Eisenzeit aus den Steppengebieten Osteuropas, vielleicht sogar aus dem Inneren Asiens nach Mitteleuropa und wurde dort angebaut. Man fand Überreste von Färberwaid bei Ausgrabungen von Siedlungen an der Schwäbischen Alb und an der Nordseeküste. In beiden Gebieten hielt man Schafe, deren Wolle man färben konnte. Als Caesar Britannien eroberte, fielen ihm dort blau gefärbte Krieger auf; dies erwähnte er, weil ihm blaue Kleidung nicht vertraut war. Offenbar färbte man zur Römerzeit also auch in Britannien Textilien mit der blauen Farbe des Färberwaids. Färberwaid wurde in späterer Zeit zu einer sehr wichtigen Färbepflanze, die man so lange anbaute, bis es billiger wurde, Indigo aus Indien zu beziehen. Noch später gelang es, Indigo synthetisch herzustellen – und dies ist noch kostengünstiger als die Aufbereitung von Pflanzenmaterial. Heute findet man Färberwaid nur noch als häufiges Unkraut an warmen Südhängen der Flusstäler, meistens in der Umgebung von Weinbergen, etwa an Rhein, Neckar und Mosel. Sicher nutzte man in früherer Zeit nicht nur auf Feldern oder in Gärten angebauten Färberwaid, sondern las ihn auch vom Wegesrand auf – genauso wie man am Mittelmeer Gewürze in der Macchie und Garigue sammelte.
Im Gebiet nördlich der Alpen hatte sich der Ackerbau in den etwa sechs Jahrtausenden bis zur Zeit um Christi Geburt, in der sich die Römer nach Norden ausbreiteten, völlig anders entwickelt als südlich des Hochgebirges, am Mittelmeer. Dort war es innerhalb staatlicher Strukturen zu einem beständigen Austausch von zahlreichen Pflanzenarten gekommen, so dass schließlich ein großes Sortiment an Kulturpflanzen an allen Küsten des Meeres zur Verfügung stand, dort angebaut wurde sowie von Feldern und Gärten aus wieder verwilderte.
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