Als unser Deutsch erfunden wurde by Bruno Preisendörfer
Autor:Bruno Preisendörfer [Preisendörfer, Bruno]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Kiepenheuer & Witsch Verlag
veröffentlicht: 0101-01-01T00:00:00+00:00
Wie Fürsten tafeln, Bauern essen und Bürger speisen
Eine Tafel ist nichts weiter als ein Brett über Böcken, das aufgehoben und fortgetragen wird, sobald das Mahl vorüber ist. Das ist auf der Bauernhochzeit so und beim Fürstenmahl. Nur besteht im einen Fall die Tafel aus ungehobelten Brettern, im Freien auf Böcke gelegt, im anderen Fall aus feinen Hölzern, mit Tischteppichen verhängt, Schmuckborten umgrenzt und Tafelaufsätzen verschönt. Und im ersten Fall kommt das bei reichen Bauern nur bei seltenen Gelegenheiten vor, beispielsweise wenn geheiratet oder begraben wird, und bei armen Bauern gar nicht, weil sie weder Bretter und Böcke besitzen noch Grund und Boden, wo sie sich aufstellen ließen. Die repräsentative Hoftafel dagegen wird so häufig aufgeschlagen, dass es schon lästig werden kann, besonders wenn die diplomatischen Verwicklungen zunehmen und die Kriegsgefahr wächst.
Das Verschwenden und das Beeindrucken durch Verschwendung kann schrecklich anstrengend sein, zumal man stets bedient wird und sich nicht selbst bedienen kann und bei diesen Schauessen immer jemand zusieht, wie der Stralsunder Reichstagsgesandte Bartholomäus Sastrow – beobachtet hat: »Ich habe den Kaiser auf verschiedenen Reichstagen essen sehen. […] Das Essen wurde von einigen jungen Fürsten und Grafen aufgetragen. Jedesmal wurden vier Gänge zu je sechs Gerichten vor ihm auf den Tisch gesetzt. Jetzt nahm man die Deckel nacheinander ab. Karl schüttelte den Kopf gegen die Gerichte, von denen er nichts begehrte. Aber wenn er von irgendeiner Speise zu essen wünschte, so nickte er mit dem Kopfe […] Da kam es vor, dass er stattliche Pasteten und Wildpret oder schön zugerichtete Spanferkel wieder abtragen ließ und ein gebratenes Schweinchen oder einen Kalbskopf dabehielt. Er ließ sich nichts vorschneiden« – der Kaiser hatte sogar die Macht, etwas selbst zu machen –, sondern löste »von dem Gericht, das er essen wollte, mit dem Messer ein Stückchen ab […], manchmal brauchte er auch seine Finger dazu. […] Wenn er einen Trunk tun wollte […] winkte er seinen Ärzten, die vor dem Tische standen. Die traten an den Schenktisch. Da standen zwei silberne Flaschen und ein kristallnes Glas. Das gossen sie aus beiden Flaschen voll.«
Derartige Beistelltische für Flaschen oder Schüsseln wurden auch in reichen bürgerlichen Haushalten bei repräsentativen ›Geschäftsessen‹ benutzt. Das Verzeichnis des Nachlasses von Willibald Pirckheimer führt »1 hültzenne Credenntz, darauf man das Silbergeschirr setzt, in ainem hültzen futter mit sambt ainem schwarzen leyntentuch darüber«, dem sogenannten Kredenztuch.
Die großen Tisch- und Tafeltücher waren in fürstlichen wie in hochbürgerlichen Häusern nicht nur praktische, sondern auch Prunkgegenstände: wegen ihres eigenen Material- und Herstellungswertes und wegen des mit ihrer Pflege verbundenen Aufwandes. Nürnberger Oberschichtfamilien besaß im ersten Drittel des 16. Jahrhunderts an die drei Dutzend Tischdecken, im Nachlass einer Imhoff werden 1536 sogar dreizehn Dutzend gezählt.
Bei festlichen Anlässen waren die mit Decken belegten Tische zusätzlich mit Umlegetüchern geschmückt, schmale, sehr lange bortenverzierte Bahnen. Festgenestelt am Tischtuch und über die Tischkante gelegt, liefen sie um die ganze Tafel herum.
Reichtum äußert sich auch in dem, was auf den Tisch kommt, und damit sind eben nicht nur die Gerichte gemeint. Der Tagelöhner aß vom rohen Holz, der halbwegs situierte Handwerker legte den Zwehel auf, eine Art Platzdecke.
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