Als Fanny ihr Pony fand by Ursula Isbel-Dotzler

Als Fanny ihr Pony fand by Ursula Isbel-Dotzler

Autor:Ursula Isbel-Dotzler
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: SAGA Egmont
veröffentlicht: 2018-06-08T00:00:00+00:00


Vier Hufe im Schlamm

Ich sah mich um. Puck kam zu mir. Er streckte die Nase in den Wind und schnupperte. Zwar konnte er die Ohren nicht spitzen, weil er ja Schlappohren hatte, aber irgendwie richteten sie sich auf, wenn er neugierig war oder etwas bemerkte, das ihn beschäftigte.

„Hast du das gehört, Puck?“ fragte ich.

Da war es wieder – ein hohes Wiehern, das von der anderen Seite des Baches herkam.

Doch ich sah nichts, denn Büsche und Bäume versperrten mir die Sicht. Ich legte mein Fahrrad ins Gras und überquerte den Steg.

Puck folgte mir auf vorsichtigen Pfoten. Er ging zwar gern freiwillig ins Wasser, aber hineinfallen mochte er wohl nicht.

Als wir am Gebüsch vorbei waren, sahen wir das Pferd. Nein, es war ein Pony. Mona hat ein Buch über Pferderassen mit vielen Fotos. Daher wußte ich, daß das kleine Pferd, das hinter dem Stacheldraht stand, ein Shetlandpony sein mußte.

Es sah schlimm aus. Nicht nur deshalb, weil es bis zu den Fesseln im Schmutz stand. Die Koppel war total aufgeweicht, ein richtiges Schlammloch. Gras wuchs darauf nicht, kein einziger Halm. Überall lag Pferdemist herum.

Das Pony hatte auch keinen Unterstand, kein Schutzdach gegen Regen oder Sonne oder Hagel oder Sturm. Nur einen knorrigen Baum, der zum Teil schon dürr war. Es war ein Holunderbaum.

Da stand es hinter dem Stacheldraht und sah uns entgegen. Es wirkte genauso elend und traurig wie Puck, als ich ihn fand.

Das Pony hatte Schorf und schlecht verheilte kleine Wunden auf der Nase, wahrscheinlich vom Stacheldraht. Sein Hinterteil war mit einer Kruste aus getrocknetem Schlamm bedeckt. Sein Fell war weiß und braun gescheckt, doch die hellen Stellen sah man kaum vor lauter Schmutz.

Ich hätte am liebsten geweint, so schlimm sah das Shetty aus. Es hob die Nase über den Draht. Sicher war es froh, daß jemand kam, denn es war ja total allein.

Puck sah von weitem zu. Vielleicht kannte er noch keine Pferde und dachte, das wäre ein besonders großer und seltsamer Hund. Der Geruch war ihm wohl auch fremd.

Ich streichelte die schorfige Nase des Ponys, und es schnupperte sacht an meinem Hals. Seine Augen waren trüb und verklebt. Es hatte am ganzen Körper kleine blutige Punkte, wahrscheinlich von Pferdebremsen oder Stechmücken.

Sanft tätschelte ich seine Stirn. Dabei verwünschte ich mich selbst, weil ich nichts dabei hatte, kein Stück Brot, keine Karotte, nicht einmal ein Bonbon. Aber ich hatte ja nicht wissen können, daß ich unterwegs auf ein Pony stoßen würde, das bestimmt nie einen Leckerbissen bekam und froh sein konnte, wenn es nicht hungern mußte.

„Armes Kerlchen!“ sagte ich. „Geht’s dir so schlecht? Was machen sie denn mit dir, lassen dich hier ganz allein, ohne Gras, ohne eine Hütte oder einen Stall … Hast du denn überhaupt Wasser?“

Die Fliegen saßen in dicken Schwärmen um seine Augen herum. Sie ließen sich kaum vertreiben, es waren richtig ekelhafte Biester.

In einer Ecke der Koppel stand eine Badewanne, die mit Wasser gefüllt war. Ich ging hin, und das Pony folgte mir innerhalb der Umzäunung, als wären wir alte Freunde.

Das Wasser in der Badewanne war braun und schmutzig.



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