Alptraumland by Hahn Ronald M. und Pukallus Horst

Alptraumland by Hahn Ronald M. und Pukallus Horst

Autor:Hahn, Ronald M. und Pukallus, Horst [Hahn, Ronald M. und Pukallus, Horst]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 0101-01-01T00:00:00+00:00


7. Kapitel

Aus dem Schriftwechsel H.P. Lovecrafts

mit Frank Belknap Long

Ashton Manor, 24. August 1923

Lieber Frank,

gerade hatte ich mich hier in Freund Ashtons Herrensitz einigermaßen behaglich eingerichtet und, da er ohnedies jeder sinnvollen Unterredung auswich, damit angefangen systematisch die umfangreiche Hausbibliothek durchzuschauen, als die Ereignisse eine dramatische Wende nahmen. Offenbar sind Ashtons Schilderungen bezüglich der feindlichen Nachbarschaft keineswegs übertrieben gewesen, denn am Abend des 20. August hat jemand seinen Fahrer erschossen – ausgerechnet an meinem Geburtstag.

Ashton kannte mein Geburtsdatum nicht. Vielleicht hätte ich darauf verzichtet, ihn auf meinen Geburtstag hinzuweisen, aber ich überlegte mir, es wäre bei der seelischen Belastung, der er ausgesetzt ist, womöglich nicht schlecht, ihn ein wenig auf andere Gedanken zu bringen.

Er führte sich erneut recht überschwenglich auf, ganz als ob er das Gefühl hätte, er müßte etwas wiedergutmachen. Die Gratulationen nahmen schier kein Ende, weil er das Personal zusammenrief und alle, die drei Geschwister Storm und den Fahrer, auch zwei zufällig anwesende Möbelschreiner, die einen sehr schönen, riesigen, ins Gemäuer eingelassenen Empire-Garderobenschrank nachbesserten, regelrecht dazu nötigte, mir einzeln und ostentativ, mit Knicks und Katzbuckel etc., zu gratulieren, eine Veranstaltung, die mir, wie Du Dir sicherlich denken kannst, zutiefst peinlich war, aber natürlich mochte ich niemanden vor den Kopf stoßen.

Ashton machte mir das 1756 in Prag gedruckte Werk Vom Kauen und Schmatzen der Toten aus der Feder Ritter Geyr von Schmalleningkens zum Geschenk, ein stark stockfleckiges, an den Ecken zerfranstes, ansonsten jedoch gut erhaltenes Exemplar, das einen kursorischen Überblick seltsamer Umtriebe auf Friedhöfen des 16. und 18. Jahrhunderts enthält. Schon zur Mittagszeit ließ Ashton zum Essen flaschenweise schwere Weine, malzigen Whiskey und süße Liköre kredenzen und sprach ihnen selbst in erheblichem Maße zu. Dadurch wurde er immer heiterer, weil der Alkohol wohl seine Sorgen nachhaltig betäubte. Allerdings gestaltete sich der Umgang mit ihm deswegen nicht leichter. Du weißt, mein lieber Junge, daß ich aus Rücksicht auf meine Verstandesklarheit weitgehend Abstinenzler bin, aber infolge Ashtons unaufhörlichen Drängens schlürfte ich dann doch, um mit ihm wenigstens einmal auf meine Gesundheit anstoßen zu können, ein halbes Gläschen Aprikosenlikör. Es ist sehr sehenswert, lieber Frank, zu beobachten, wie schnell wir Amerikaner bei Geselligkeiten das Niveau verlieren. Die Ursache dürfte die fortschreitende Vermischung des germanisch-angelsächsischen Erbguts mit fremdrassigem Blut sein. Im Laufe des Nachmittags betrank Ashton sich mordsmäßig und sank auf die Stufe des Witzeerzählens ab. Male Dir einmal aus, Du müßtest Dir stundenlang solche Kalauer anhören: »Angeklagter, hatten Sie bei Ihrem letzten Einbruch einen Genossen?« – »Nein, Herr Richter, ich war vollkommen nüchtern.« Ich glaube, er hätte sich sogar noch zu Schottenwitzen hinreißen lassen, wäre er nicht um die Uhrzeit, wenn in Britannien eigentlich Teestunde ist, auf einer Ottomane eingeschlafen. Sein Geschnarche hallte durchs ganze Haus. Während er seinen Rausch ausschlief, widmete ich mich in der Hausbibliothek, die in der Tat vielerlei bemerkenswerte Literatur über Grenzgebiete der Forschung und Wissenschaft sowie des Okkulten umfaßt, nochmals einigen Studien, bei denen ich bis zum Anbruch der Dunkelheit ungestört blieb. Ungefähr eine Stunde später hörte ich aus dem Erdgeschoß wieder Ashtons Stimme. Dann fielen plötzlich im Freien Schüsse.



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