Alles beginnt mit einem Kuss by Mínervudóttir Gudrún Eva

Alles beginnt mit einem Kuss by Mínervudóttir Gudrún Eva

Autor:Mínervudóttir, Gudrún Eva [Mínervudóttir, Gudrún Eva]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: btb
veröffentlicht: 2015-12-26T16:00:00+00:00


Sie wusste nicht, wie lange sie dort geistesabwesend gekauert hatte, während sich das Grauen zu ihren Füßen den Weg in ihr Bewusstsein bahnte. In ihrer kleinen, harmlosen Welt hatte so etwas keinen Platz.

Da schaute sie an sich herunter und sah, dass von dem Kupferschlüssel Blut auf ihre Hände und das Kleid tropfte.

Mit pochendem Herzen lief sie in ihr Zimmer, zog ein anderes Kleid an und warf das fleckige in den brennenden Kamin. Sie schrubbte ihre Hände in der Waschschüssel, doch das Rot ging nicht ab. Sie bearbeitete ihre empfindliche Haut mit einer groben Bürste, doch auch das nützte nichts. Ihre Hände waren nun fast ebenso rot wie die blutigen Flecken, doch es war nicht zu übersehen, dass sie Blut an den Händen hatte.

Tags darauf kehrte Blaubart von der Jagd zurück, und wie es sich zu jener Zeit geziemte, trat seine junge Frau auf den Vorplatz, um ihn zu begrüßen.

Er war kaum vom Pferd gestiegen, als er sie schon am Ellbogen packte und einen kritischen Blick auf ihre Hände warf.

»Was sehe ich da?«, sagte er.

»Ich habe Brombeeren gesammelt«, antwortete sie.

»Nein«, sagte er. »Du hast dich meinem Gebot widersetzt und trotz meiner Bitte das einzige Zimmer betreten, das du nicht betreten solltest.«

»Ich habe das Zimmer nicht betreten«, antwortete sie. »Ich habe bloß die Tür geöffnet und hineingeschaut.«

»Und dein Schicksal gesehen«, donnerte er los. »Du wolltest sie unbedingt sehen – nun wirst du bei ihnen sein, bis die Zeit die Wände zerbröckeln und einstürzen lässt.«

Er zog sein Jagdmesser aus dem Gürtel und ließ es durch die Luft sausen.

Der Königin wurde schwarz vor Augen. Sie hörte das Sausen und donnernden Hufschlag und dachte, dass der Tod gekommen sei, um sie zu holen, doch da ging König Blaubart röchelnd neben ihr zu Boden, ein Pfeil steckte in seinem Hals.

Ihre Schwestern sprangen vom Rücken des Pferdes, das ihr Schwager Blaubart ihnen geschenkt hatte, rannten zu ihr und drückten sie an sich.

»Gott sei Dank sind wir gerade jetzt gekommen«, sagte die älteste Schwester.

»Wir fanden, dass es an der Zeit war, dich zu besuchen. Den Bogen hatte ich mitgenommen, um unterwegs Hasen schießen zu können«, sagte die Zweitälteste.

Und die Schwestern lebten glücklich und zufrieden bis an ihr Lebensende in Blaubarts Schloss, umgeben von Katzen, die sie an dunklen Winterabenden streicheln konnten. Sie spielten Karten, angelten Forellen und jagten Rebhühner. Das Scheusal Blaubart waren sie zum Glück für immer los.



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