Alle Liebe dieser Welt by Marie Louise Fischer

Alle Liebe dieser Welt by Marie Louise Fischer

Autor:Marie Louise Fischer [Fischer, Marie Louise]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: SAGA Egmont
veröffentlicht: 2017-04-20T00:00:00+00:00


Oberstaatsanwalt Kleiper setzte sich.

'Ich will die Angeklagte nicht mit weiteren Fragen quälen', sagte Rechtsanwalt Dr. Suttermann und erhob sich langsam, 'außerdem bin ich überzeugt, daß sie zu dieser Frage alles gesagt hat, was darüber zu sagen ist. Ich möchte das Hohe Gericht nur darauf aufmerksam machen, daß es falsch wäre, an das Verhalten der Angeklagten Maßstäbe zu legen, die auf das normale Verhalten eines normalen Menschen in einer normalen Situation zutreffen mögen. Die Angeklagte befand sich damals in einem Verzweiflungszustand, ihre festgefügte Welt war zusammengebrochen, sie wußte im wahrsten Sinne des Wortes nicht, wo ihr der Kopf stand. Es wäre abwegig, zu erwarten, daß sie da vernünftig und überlegt reagieren sollte wie ein nüchtern denkender Mensch.' Er setzte sich wieder, aber es war deutlich zu spüren, daß er sich in seiner Haut nicht allzu wohl fühlte.

Der Vorsitzende entschloß sich, noch einmal Kriminalrat Amstetter in den Zeugenstand zu rufen, der inzwischen durch einen Funkstreifenwagen in das Gerichtsgebäude gebracht worden war. Kriminalrat Amstetter wußte nichts über den Verbleib des Pflanzenschutzmittels zu sagen. Er erklärte, daß er und seine Leute die Villa des Ehepaares Groß vom Keller bis zum Dachboden gründlich und im Hinblick auf ein etwa vorhandenes Gift durchsucht hätten, ohne daß ihnen jedoch eine Packung mit dem besagten Pflanzenschutzmittel vor Augen gekommen sei. Selbstverständlich sei auch der Toilettentisch der damals schon Inhaftierten einer genauen Kontrolle unterzogen worden.

Danach erklärte Landgerichtsrat Mergentheimer die Beweisaufnahme für abgeschlossen. Die Angeklagte hatte das letzte Wort. Carola Groß war blaß bis an die Lippen, ihre Augen lagen tief in den Höhlen, sie sah aus, als könne sie sich kaum noch auf den Beinen halten.

'Angeklagte', sagte der Vorsitzende, 'falls Sie uns bisher etwas verschwiegen haben … jetzt ist die letzte Gelegenheit, die Wahrheit zu sagen. Sehen Sie doch nicht immer nur Ihre Feinde in uns, wir möchten Ihnen helfen! Wir alle hier im Saal haben Verständnis und Mitgefühl für die schwierige Situation, in der Sie sich seinerzeit befanden, betrogen von Ihrem Ehemann, belogen und wiederum betrogen … von einer Rivalin verdrängt, die man … de mortuis nil nisi bene … immerhin doch als Außenseiterin der Gesellschaft bezeichnen muß. Sie kämpften um Ihr Recht als Ehefrau, um den Bestand Ihrer Ehe, Sie kämpften um Ihren Mann! Ich versichere Ihnen, wenn Sie jetzt ehrlich zugeben, daß Sie dabei zu falschen Mitteln gegriffen haben, wenn Sie jetzt also ein volles Geständnis ablegen … Sie werden in uns nicht nur gerechte, sondern auch milde Richter finden!'

Eine spannungsgeladene Pause entstand.

'Ich habe es nicht getan', sagte Carola Groß gepreßt. 'Ich habe Annabelle Müller nicht getötet! Glauben Sie mir doch … ich bin unschuldig!' Ihre Stimme überschlug sich. 'Unschuldig!'

Heinrich Groß war im Gerichtssaal anwesend. Während der Vorsitzende die Verhandlung auf den nächsten Tag anberaumte, der die Plädoyers und das Urteil bringen sollte, bemühte er sich, mit Elfride Kramer Verbindung aufzunehmen, die – ein paar Meter von ihm entfernt – auf der Zeugenbank saß. Aber durch die aus dem Saal drängende Menge wurden sie getrennt. Er verzichtete auf den Versuch, sie einzuholen, sondern hielt es für richtiger, sich um seine Frau zu kümmern, die völlig zusammengebrochen war.



Download



Haftungsausschluss:
Diese Site speichert keine Dateien auf ihrem Server. Wir indizieren und verlinken nur                                                  Inhalte von anderen Websites zur Verfügung gestellt. Wenden Sie sich an die Inhaltsanbieter, um etwaige urheberrechtlich geschützte Inhalte zu entfernen, und senden Sie uns eine E-Mail. Wir werden die entsprechenden Links oder Inhalte umgehend entfernen.