Alexander in Babylon: Historischer Roman by Wassermann Jakob

Alexander in Babylon: Historischer Roman by Wassermann Jakob

Autor:Wassermann, Jakob [Wassermann, Jakob]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Roman, Fiction, Literary, © eBOOK-Bibliothek 2005 für diese Ausgabe
ISBN: 9783842416000
Google: V39H_abt3zgC
Herausgeber: tredition
veröffentlicht: 1990-01-01T23:00:00+00:00


Der Viertelmond sank in die dunstige Luft des Westens; er glich der glühenden Braue eines schwarzen Auges, dessen Blick Alexander magisch auf sich ruhen fühlte. Es war das Auge der Einsamkeit. Was hatte ihn hierhergetrieben? Was ging in ihm vor? Weshalb war die Welt so nah, die Dinge so deutlich? War es nicht eine andere Dunkelheit als je, ein anderer Sternenhimmel, kälter, entschleierter? Ehedem hatte er es wie ein lebendiges Band gespürt zwischen sich und Gott, den Tiefen und den Höhen, nun fand er sich allein, losgelöst, mit Verantwortungen beladen.

Ehedem hatte er sein eigenes Dasein kaum anders gespürt, als wie der Adler im Rausch des Fluges sich spürt. Jetzt sah er sich selbst Schritt für Schritt dahinkriechen, und er fürchtete sich vor dem aufgewachten andern Wesen in seiner Brust.

Unergründliche Trauer umkrampfte ihm das Herz. Auf einem Erdhügel legte er sich zu kurzem Schlummer hin, und bei Tagesanbruch begab er sich ins Lager zurück und blieb allein im Zelt, bis wieder der Abend kam. Sobald die nächtlichen Feuer wieder brannten, wanderte er in die Ebene hinaus. Keiner durfte es wagen, ihm seine Begleitung anzubieten oder ihm aus der Ferne zu folgen.

Jede Nacht zeigte ihm die Natur ein neues Antlitz, und jedes-mal glaubte er, in ihren ruhigen oder stürmischen Zügen entzif-fern zu können, was ihn selbst bewegte. Er sah sich von allen menschlichen Wesen verlassen. Er suchte einen Gott, und er fand keinen, nicht den Griechengott in seiner Herrlichkeit, nicht Ahu-ramazda, der den Ring der Zeiten hält, nicht Mithra, den Strah-lenden, nicht Belmarduks grauenhafte Majestät, keinen von den Dämonen, die in Bäumen, Wassern, Steinen, in den Winden, in der Erde wohnen, nicht das hohe Wesen, das die Inder verehren und welches das Weltall so innig umfaßt, daß keine Mücke seiner Beachtung entschlüpfen kann. Er verfolgte die Bahn eines fallenden Sternes und reckte sich auf, um die Hand zu ergreifen, die ihn in den Raum geschleudert. Oder war diese Wölbung nur ein Hirngespinst, an die der leuchtende Punkt geheftet schien?

Wer schenkte Wissen und wer raubte Wissen in rasender Laune? Wer konnte jegliches Geschöpf zu jedem beliebigen Augenblick in den Staub treten, mühelos, gedankenlos, wahllos spielend?

Stunde häufte sich auf Stunde, bis der Tag entstand und die Sonne sich prahlerisch entzündete und vom Morgen bis zum Abend ihren Bogen zog. Was beginnen, wenn nicht Schlaf die Glieder fesselte? Ein Grabesfrieden lag über der Welt.

Alexander mußte zurückblicken. Dies Gefühl war ihm neu und erstaunlich. Das Gefühl der Vergangenheit war ihm bis jetzt unbekannt gewesen. Er schloß die Augen, um es loszuwerden, er wollte sich gewaltsam wieder hineinträumen in das schäumende Meer, in das grenzenlose Tun, aber umsonst, die Wogen regten sich nicht, es blieb alles still, sein eigenes Herz schlug matt und langsam, das Blut war kühl, das Auge klar, der Traum zu Ende, die riesige Wolke, in der er so götterhaft geschritten und die ihm den Anblick der unabsehbaren Kette von Ursachen und Wirkun-gen entzogen, war von ihm abgeglitten. Wie alle andern Sterblichen schwerbeladen, mußte er weiterziehen. Doch was war es, was war dies Schwere?

Die



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