Ahoi Polaroid by Sobo Swobodnik

Ahoi Polaroid by Sobo Swobodnik

Autor:Sobo Swobodnik [Swobodnik, Sobo]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783453407121
Herausgeber: Heyne
veröffentlicht: 2011-04-01T22:00:00+00:00


8

»Herrlich!« Es klang bei Mausi Weber, bedingt durch die tiefe, sich an der Stimme ihres Mannes orientierende Tonlage weniger nach Mausi respektive Maus. Eher nach schnurrendem Löwen. Woraufhin ihr Mann dasselbe sagte oder vielmehr brüllte, nur zweimal: »Herrlich! Herrlich!«

Da konnte Herlinde Vogler-Huth natürlich nicht zurückstehen. Sie versuchte überspannt quietschend mit »Gigantisch!« die Begeisterung der Webers zu toppen und fügte »Dieses Weiß!« hinzu. Als wäre das Weiß nicht weiß, sondern pures Gold.

»Wat?« Einspruch der Webers. Und zwar synchron. Mit identischem Gesichtsausdruck. Irgendetwas zwischen »Hat die noch alle Tassen im Schrank?« und »Ist die vom anderen Ufer?«. Herlinde ging darüber hinweg, als wäre sie taub. Nicht vom anderen Ufer also. Aus einer anderen Welt. Die Welt der Kunst. Des makellos Schönen. »Was für ein atemberaubendes Farbenspektrum!«

»Wat für ’n Ding?«

»Das ist Kunst!« Sie musste es aussprechen.

»Nee, nee, nee, dat is keene Kunst, dat is Schnee!«, sagte Mausi Weber aus tiefster Überzeugung. Woraufhin alle schwiegen. Als wollten sie kollektiv und doch jeder für sich darüber nachdenken.

»Schön«, sagte Urs Eschenbach, fast naiv zärtlich. Mit dieser Einschätzung konnten alle leben. Überall Nicken. Bis auf Plotek. Der dachte: Irgendwie sieht die Gletscherzunge gar nicht schön aus. Eher wie so ein abgezogenes weißes Hasenfell. Auch Paula schwieg hartnäckig. Ruedi Eschenbach wiederum filmte nun drauflos, als wollte er den kompletten Gletscher auf die digitale Festplatte bannen. Für seine Schweiz. Als hätten die zu Hause noch nie so was gesehen. Die Reisegruppe in dem kleinen Schnellboot war jedenfalls außerordentlich fasziniert. Geradezu außer sich. Sie hatten allen Grund dazu. Der Engabreen hing wie ein Leintuch vom Berg herunter und streckte seine Zunge fast ins Meer.

Nur Plotek blieb gelassen. So gelassen, dass er sich nicht einmal das Fernrohr borgte, um dem ohnehin schon nahen Gletscher noch näher zu kommen. Vinzi auch nicht.

An der Schieferinsel Gronoy hatten einige der Reisenden das Hurtigruten-Schiff verlassen, um diesem Seitenarm des Svartisen-Gletschers mit dem Namen Engabreen näher zu kommen. Plotek und Vinzi waren auch dabei, aber nur auf Druck von Swantje. Nach der Gletscherbesichtigung sollten sich die Reisenden anschließend auf einer Busreise und einem kleinen Landausflug bis nach Bodø begeben. Um dort schließlich, nach einem kurzen Abstecher zum Naturschauspiel Saitstraumen, wieder an Bord der MS Finnmarken zu gelangen.

Plotek hatte keine Lust auf Landausflug oder Busreise. Er wäre viel lieber an Bord geblieben. Trotz der verheißungsvollen Versprechen von Swantje, die den Gletscher als »einmalige Attraktion« anpries, einer Marienerscheinung gleich. Die auch die Fahrt mit dem Bus auf der Kystriksveien, der Reichsstraße 17, als »Reise am Rand des Himmels« feilbot. Wo auch immer sie das gelesen hatte. Der Anblick des Gletschers hätte Plotek jedenfalls auch aus der Ferne gereicht. Vinzi allerdings, mittlerweile ganz in den Fängen von Swantje verstrickt, hatte zur Entscheidungsfindung wieder Schnick, schnack, schnuck vorgeschlagen. Wobei Plotek ein weiteres Mal verloren und sich dem Willen des Verstrickten gebeugt hatte.

»Dieser Gletscher ist etwas Besonderes«, erklärte nun die Reiseleiterin, eine junge Frau mit roten Haaren und einer Frisur wie Mireille Mathieu. »Er ist mit einer Fläche von 370 Quadratkilometern der zweitgrößte in Norwegen und reicht, wie Sie hier sehen, mit seinem Gletscherarm, dem Engabreen, bis fast ins Wasser.



Download



Haftungsausschluss:
Diese Site speichert keine Dateien auf ihrem Server. Wir indizieren und verlinken nur                                                  Inhalte von anderen Websites zur Verfügung gestellt. Wenden Sie sich an die Inhaltsanbieter, um etwaige urheberrechtlich geschützte Inhalte zu entfernen, und senden Sie uns eine E-Mail. Wir werden die entsprechenden Links oder Inhalte umgehend entfernen.