Afrikanische Totenklage: Der Ausverkauf Des Schwarzen Kontinents by Peter Scholl-Latour

Afrikanische Totenklage: Der Ausverkauf Des Schwarzen Kontinents by Peter Scholl-Latour

Autor:Peter Scholl-Latour [Scholl-Latour, Peter]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783442152193
Google: NQ8yAAAACAAJ
Amazon: 3442152194
Herausgeber: Goldmann
veröffentlicht: 2003-05-01T22:00:00+00:00


Die Muttergottes im Minenfeld

Huambo (früher Nova Lisboa), im Februar 2001

Wenigstens ein Portugiese hat ausgeharrt in Huambo. Die einst blühende Hauptstadt der gleichnamigen Provinz im zentralen Hochland von Angola hat seit 1975 mehrfach den Besitzer gewechselt. Ihre prächtigen Avenidas wurden verwüstet und sämtliche Fabrikanlagen der Umgebung mutwillig zerstört. Aber Norton de Matos ist unbeweglich stehengeblieben, überlebensgroß und gebieterisch. Die Querschläger, die die Bäume des umliegenden Parks zerfetzten, haben diesem beleibten Pionier aus Bronze nichts anhaben können. Er trägt hohe Stiefel wie die lusitanischen Siedler seiner Ze it, und der Inschrift entnimmt man, daß Huambo, damals » Nova Lisboa« genannt, erst im Jahr 1922 von diesem resoluten Mann gegründet wurde.

In Huambo hatte viele Jahre später der Rebellenführer Jonas Savimbi seine Regierungszentrale eingerichtet. Die Menschen erinnern sich mit gemischten Gefühlen an die Zeit zwischen 1992 und 1994, als die Unita für Zucht, Ordnung und auch soziale Gerechtigkeit sorgte, dabei aber eine unerbittliche Justiz praktizierte und zur Abschreckung öffentliche Hinrichtungen und Gliederamputationen vornahm. Savimbi hat sich mit seinen Getreuen in den Busch abgesetzt, aber auch aus der Ferne übt dieser bärenstarke Arzt mit dem wild wuchernden Vollbart und dem sardonischen Lächeln eine beklemmende Faszination auf die Einwohner von Nova Lisboa aus, eine Mischung aus Furcht und Bewunderung, gepaart mit der heimlichen Vermutung, daß er eines Tages wieder in sein altes Revier als Sieger zurückkehren könnte. Die Mestiços, die ihm gar nicht gewogen sind, behaupten zwar, daß der Bandenführer in Wirklichkeit längst gestorben sei und daß seine Gefährten seinen Tod verheimlichen. Doch die schwarzen Ureinwohner rühmen

weiterhin die ungebrochene Kraft dieses fast 70jährigen Mannes, dessen sexuelle Potenz legendär bleibt. Getreu seiner ursprünglich maoistischen Erziehung hatte er übrigens in seinen Territorien Landwirtschaftskommunen geschaffen und einen für Afrika vorbildlichen Sanitätsdienst aufgebaut.

Auch in Huambo sind wir fast im Sturzflug gelandet, um den Maschinengewehren der Unita zu entgehen, die unweit des Flugplatzes im Anschlag liegen sollen. Wie in Luena gilt unser erster Besuch dem Provinzgouverneur, der hier Antonio Paulo Kassoma heißt und mit seiner schwarzen Glatze, dem enormen Bauch an Laurent Kabila erinnert. Er residiert - wie sein Kollege von Luena - in einem prächtigen, rosa getünchten Kolonialbau altportugiesischen Stils. Ringsum herrscht nur Verwüstung. Kassoma ist ein jovialer, gut informierter Administrator. Allein in seiner Provinz sind 300000 Flüchtlinge zu versorgen, und er betrachtet es als einen Skandal, daß ein von der Natur so gesegnetes Land wie Angola - zweieinhalbmal so groß wie Frankreich, mit zwölf Millionen Menschen recht spärlich besiedelt - sein nacktes Überleben einer Vielzahl von internationalen Hilfsorganisationen verdankt. An die 300 NGOs betätigen sich angeblich hier mit zweifelhaftem Nutzwert, und die Vereinten Nationen sind gleich mit sieben ihrer Unterorganisationen präsent.

»Die Angolaner werden zu Faulpelzen erzogen und verlieren das Gefühl für die eigene Würde. Ich weiß nicht, ob Sie gemerkt haben, wie plötzlich hier in Huambo der mörderische Überschwang des Buschkrieges in Lethargie und Resignation umgeschlagen ist.« Die militärische Situation sei unberechenbar. Bei Tage habe in Huambo die Regierungsarmee und die Polizei der MPLA natürlich die Oberhand, aber bei Nacht kämen die Unita-Partisanen aus ihren Schlupfwinkeln, und es wimmele von deren Agenten.



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