African Queen by Timmerberg Helge
Autor:Timmerberg, Helge [Timmerberg, Helge]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 2013-11-28T05:00:00+00:00
Im «Keur Diame» kostet ein Einzelzimmer rund zwanzig Euro, das Doppelzimmer dreißig und das Abendmenü neun. Die Mahlzeiten werden von den Gästen im Speiseraum gemeinsam eingenommen. Man sitzt an einem großen Tisch und lernt sich kennen. Mir gegenüber isst ein junger Mann mit schwarzem Vollbart und schwarzen lockigen Haaren. Ich habe ihn für einen Latino gehalten, aber liege damit nur zur Hälfte richtig. Seine Mutter ist Mexikanerin, der Vater Deutscher. Sein Name: Juan. Sein Wohnort: Leipzig. Sein Beruf: Primatenforscher. Er ist auf dem Weg zum Niokolo-Koba-Nationalpark im Südosten Senegals, in dem das Max-Planck-Institut Leipzig eine Forschungsstation unterhält. Juans Interesse gilt den Guineapavianen. Sie sind kleiner als die Anubis- und Mantelpaviane, und man weiß auch weniger über sie. Er und seine Kollegen sollen die Wissenslücken füllen, und das geht nur durch Beobachtung, aber Beobachten setzt Gewöhnen voraus, und allein das dauert zwei Jahre. Immer wieder so nah wie möglich an die Paviane herangehen und jedes Mal den Abstand verringern und ansonsten so tun, als sei die eigene Anwesenheit ganz normal – das ist der einzige Weg. Nach zwei Jahren laufen die Paviane nicht mehr davon und greifen nicht mehr an, es sei denn, der Wissenschaftler macht was Blödes, aber blöde Wissenschaftler gibt es ja nicht, also ignorieren die Affen sie. Auf diese Weise wurde beobachtet, dass Guineapaviane ein anderes Paarungsverhalten haben als Mantelpaviane. Ein Mantelpavian-Männchen akzeptiert nicht, wenn ein anderes Männchen sein Mädel befruchtet, ein Guineapavian hat kein Problem damit. «Guineapaviane sind demnach polygam», sage ich. «Obacht», sagt Juan und hebt den Zeigefinger. «So einfach machen wir es uns nicht. Das polygame Verhalten unter Guineapavianen konnten wir bisher nur bei Tieren feststellen, die sich in ihren Schlafbäumen paarten. Die sind sehr hoch, und es besteht eine konkrete Absturz- und Lebensgefahr. Vielleicht reagierten sie nur deshalb tolerant auf Nebenbuhler, weil die Situation zu gefährlich für Aggressionen war.»
«Siehst du, Ruth», sage ich, «das meine ich. Noch wissen wir nicht, ob Guineapaviane grundsätzlich nicht eifersüchtig sind oder nur, wenn es nicht anders geht. Aber wir werden es bald wissen, denn Juan fährt bald wieder zu ihnen. Und er wird wiederkommen, um zu berichten. Aber solange wir ihn bei uns haben, würde ich Juan gern noch fragen, ob es wirklich stimmt, dass Guineapavian-Männchen sich zur Begrüßung gegenseitig an die Genitalien greifen?»
«Ja», sagt der Primatenforscher, «das stimmt. Aber das machen nur Männchen, die miteinander befreundet sind. Es ist ein Vertrauensbeweis, angesichts der massiven Schäden, die ein Konkurrent bei diesem Gruß anrichten könnte. Nur Freunde lässt man an die Eier. Und sie greifen sich nicht nur zur Begrüßung an die Genitalien, sondern auch vor gemeinsamen Unternehmungen.»
Ach, das wäre ein schöner Titel für Juans Dissertation: «Schwule Primaten», aber ich wette, er wird’s nicht wagen, darum wende ich mich der langbeinigen blonden Düsseldorferin zu, die neben mir sitzt. Auch sie ist jung, auch sie ist wissenschaftlich unterwegs. Sie untersucht die Folgen der Elektrifizierung. Man schenkt einem Dorf Sonnenkollektoren und schaut ein Jahr später, was es mit dem Strom macht und wie das Licht das Leben dort verändert hat. Werden
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