Accabadora by Murgia Michaela

Accabadora by Murgia Michaela

Autor:Murgia, Michaela [Michaela, Murgia]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 2013-11-03T04:00:00+00:00


Als Giannina Bastíu zurück in den Hof kam, das Tablett mit dem dampfenden Kaffee in der Hand, saß Nicola allein in der Sonne, zwischen drei leeren Stühlen, und hatte ein eigenartiges Lächeln im Gesicht.

11

Die Seelen kennen uns, es sind die unserer Vorfahren, und darum tun sie uns nichts, wir haben ja auch das Abendessen für sie bereitet. Das dachte Andría Bastíu, während er sich am Abend des ersten November in seinem Zimmer für die Nacht fertigmachte. Er zog die Schuhe aus, die er auf dem Feld trug, doch er blieb angezogen, denn er hatte nicht vor, zu schlafen. Im Jahr zuvor hatte die Mutter ihn absichtlich hart arbeiten und auf dem Feld Kartoffeln sammeln lassen, damit er am Abend müde war, und so hatte ihn sein Körper im Stich gelassen und er war eingeschlafen, ohne sich dagegen wehren zu können. Aber diesmal hatten sie es nicht geschafft, er war wach und würde beobachten, wie die Seelen aßen und vom geschnittenen Tabak nahmen, der auf dem Tisch lag und in dem sie am nächsten Morgen ihre Fingerabdrücke sehen würden. Dann könnte er endlich etwas erwidern, wenn Maria sagte, dass die Geister nicht umherwanderten und Menschen quälten, dass die Barmherzigkeit unseres Herrn Jesu Christi das gar nicht zuließe. Wenn unser Herr Jesus Christus aber zuließ, dass sein Bruder ein Bein verlor, dann würde er wohl kaum den Toten verwehren, ein paar culurgiones zu essen.

Darum hatte er sich leise auf einen geflochtenen Hocker gesetzt, den er als Kind benutzt hatte; die Nägel bohrten sich in seinen Hintern, so saß er vor dem Türspalt, wachsam wie ein Grenzsoldat. Nach zwanzig Minuten wurde Andría langsam müde, doch er blieb hinter der angelehnten Tür sitzen, die Augen an den Spalt gepresst, fest entschlossen, den Teil des Flurs, der von der Haustür zur gedeckten Tafel führte, nicht aus den Augen zu lassen und einen Blick auf die Seelen der Toten zu erhaschen. In dieser Nacht wandelten viele Geister durch die Gegend, das hatte Nicola ihm gesagt, der im Jahr zuvor sogar den Geist Antoni Julius gesehen hatte, des großen Bruders der Mutter, wie er auf der Straße in Richtung ihres Hauses lief. Antoni Juliu war nach Belgien gegangen, um dort in einem Bergwerk zu arbeiten, und jedes Mal, wenn er zurück nach Soreni kam, schien er wie ein Fremder: Er schaute sich ständig um, wie jemand, der sich vor Gläubigern fürchtet, und das Schwarz unter seinen Nägeln wurde er nie mehr los. Er war nicht froh, als er wegfuhr, aber noch weniger, als er zurückkehrte. Er hatte sich im dritten Sommer auf dem Land der Gongius erhängt und den Pächtern, die ihn fanden, einen gehörigen Schrecken eingejagt, als er so dahing wie eine überreife Birne, mit heraushängender Zunge. Er war vor sich selbst geflohen, wer weiß, wohin.

Vielleicht würde Antoni Juliu auch in dieser Nacht kommen. Der Teller stand bereit, daneben das Glas voll Abbardente, denn er liebte Aquavit. Wenn er nicht gekommen wäre, um ihn zu trinken, würde morgen vor dem Mittagessen sein Vater das Glas austrinken, oder Nicola, der es weiß Gott gebrauchen konnte.



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