Abgelenkt by Johann Hari

Abgelenkt by Johann Hari

Autor:Johann Hari [Johann Hari]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Riva
veröffentlicht: 2022-10-16T00:00:00+00:00


Ich war sehr entmutigt. Eine Zeit lang hatte ich das Gefühl, es sei für uns unmöglich, ein solches Ziel zu erreichen. Viele Menschen kommen in der Diskussion dieses Themas bis an diesen Punkt und verfallen dann in einen lähmenden Pessimismus. Sie sagen: Ja, dieses System beeinflusst uns auf wirklich negative Art, aber wir müssen uns einfach anpassen, denn nichts und niemand kann es aufhalten. Wir leben in einer Kultur, in der auf Schritt und Tritt ein tiefer politischer Fatalismus zu spüren ist. Ich habe das erlebt, als ich mein Buch über den Krieg gegen die Drogen, Drogen: Die Geschichte eines langen Krieges , geschrieben habe und durch die ganze Welt gereist bin, um darüber zu sprechen. Vor allem in den USA hörte ich immer wieder Sätze wie: Ja, Sie haben recht, der Drogenkrieg ist eine Katastrophe und zeigt unser Versagen auf. (Über 80 Prozent der Amerikaner stimmen dem zu.) Ja, Sie haben recht, dass eine Entkriminalisierung oder Legalisierung besser wäre. Aber nein, das wird nie passieren – übrigens, kennen Sie einen guten Anwalt oder eine Reha-Einrichtung für einen süchtigen Verwandten? Der politische Pessimismus hält die Menschen in ihrer Suche nach rein persönlichen und individuellen Lösungen gefangen.

Aber die Wahrheit ist: Diese Verzweiflung ist nicht nur selbstzerstörerisch, sondern meiner Meinung nach auch nachweislich falsch. Ich erinnerte mich selbst daran, dass so mächtige Kräfte wie die Technologieunternehmen in der Geschichte der Menschheit schon oft besiegt wurden und dass dies immer auf dieselbe Weise geschah. Wenn ganz normale Menschen sich zusammenschließen und etwas Besseres fordern und nicht aufgeben, bis sie es erreicht haben. Ich weiß, das könnte diffus oder idealistisch klingen, deshalb möchte ich ein sehr praktisches Beispiel für eine Veränderung geben, die in meiner Familie und sehr wahrscheinlich auch in Ihrer Familie in den letzten drei Generationen stattgefunden hat.

Ich bin 41 Jahre alt. Meine Großmütter waren im Jahr 1962 so alt wie ich jetzt. In jenem Jahr lebte meine schottische Großmutter Amy McRae in einem schottischen Arbeiterviertel, und meine Schweizer Großmutter Lydia Hari lebte auf einem Berg in den Schweizer Alpen. Amy war gezwungen worden, die Schule zu verlassen, als sie 13 Jahre alt war, denn niemand hielt es für sinnvoll, Mädchen auszubilden. Während ihr Bruder in der Schule blieb, wurde sie zum Toilettenputzen geschickt, was sie ihr ganzes Berufsleben lang tat. Sie wollte mit Obdachlosen arbeiten, aber Frauen wurden von solchen Jobs ausgeschlossen, und man sagte ihr, sie solle ihren Platz als Frau kennen und den Mund halten. Lydia wuchs in einem Schweizer Dorf auf und zeichnete und malte schon als Teenager ständig. Sie wollte Künstlerin werden. Man sagte ihr, dass Mädchen keine Künstlerinnen sein können. Sie heiratete jung, und man sagte ihr, sie solle ihrem Mann gehorchen. Noch Jahre später saß ich in ihrer Küche, als ihr Mann ihr eine leere Tasse hinhielt und »Kaffee!« brüllte und von ihr erwartet wurde, dass sie sich beeilte Kaffee zu bringen. Manchmal zeichnete sie, aber sie sagte, das mache sie depressiv, weil es sie daran erinnere, wie ihr Leben hätte sein können.

Meine Großmütter lebten



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