Abgeblasen by Val McDermid

Autor:Val McDermid [McDermid, Val]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783426416754
Herausgeber: Knaur e-books
veröffentlicht: 2012-04-10T16:00:00+00:00

17. Kapitel

Ich holte tief Luft. »Wie soll ich das verstehen?«

»Was wissen Sie über Heroinabhängigkeit?«, fragte Maggie zurück.

»Was man als Laie so hört. Gehen Sie mal von einem Wissensstand von null aus.«

»Okay. Der Entzug ist die Hölle. Aber wenn ein Abhängiger es geschafft hat, redet er sich häufig ein, dass ein kleiner Schuss ihm nicht schaden könnte. Wie ein Raucher, der sich den blauen Dunst seit Jahren abgewöhnt hat und auf einer Party plötzlich Lust auf eine Zigarette bekommt. Nur kann das bei Heroinabhängigen sehr viel schneller zur Katastrophe führen als bei Rauchern. Irgendjemand in Colcutt Manor hat Stoff in Moiras Zimmer geschmuggelt. Alle paar Tage fand sie dort eine Spritze und genug Stoff für einen ausgiebigen Kick vor.«

Maggies Stimme war vor Zorn tief und rauh geworden.

»So etwas Niederträchtiges«, flüsterte ich.

»Verstehen Sie jetzt, warum mir so viel daran lag, sie da herauszuholen? Zuerst hat sie den Stoff einfach durchs Klo gespült und die Spritze in den Mülleimer geworfen. Früher oder später aber, hab ich mir gesagt, wird sie auf ihr Zimmer kommen und schlecht drauf sein, und wenn sie dann nicht mich als Rettungsanker hat, wird sie schwach werden. Für mich war das eine grauenhafte Vorstellung.«

Ich schluckte. Die nächste Frage war heikel. »Und warum sind Sie mitten in der Nacht abgereist?«

Maggie rollte sich die nächste Zigarette und überlegte. Ich hatte den Eindruck, dass sie das Gespräch mit mir als Generalprobe für das weit härtere Verhör betrachtete, das sie bei der Polizei erwartete. »Wir hatten abends im Pub was getrunken. In zwei Wochen, hatte Moira gemeint, sei sie mit ihrer Arbeit auf Colcutt Manor fertig, und dann wollten wir zusammen Urlaub machen. Sie hat mir fest versprochen, so lange durchzuhalten. Ich dürfe sie nicht zwingen, sich zwischen mir und ihrer Arbeit zu entscheiden. Und ich in meiner Dummheit habe nachgegeben.

Danach sind wir auf mein Zimmer gegangen und haben uns geliebt. Gegen elf ging sie, sie wollte noch mit Jett arbeiten. Ich konnte nicht schlafen. Es hört sich dumm an, ich weiß – aber ich hatte das Gefühl, dass etwas Schlimmes passieren würde. Schließlich bin ich aufgestanden, um ein bisschen durch die frische Luft zu gehen, und da hab ich oben am Haus die Polizeifahrzeuge gesehen. Mir wurde ganz schön mulmig, aber was immer da passiert war – wenn ich jetzt plötzlich vor der Tür gestanden und nach Moira fragt hätte, hätte ich nur gestört. Also machte ich kehrt, ging zurück zum Pub – und wäre um ein Haar von Ihnen überfahren worden.« Maggie zündete sich ihre Zigarette an und fuhr sich mit der Hand durch das graugesträhnte Haar.

»Vom Pub aus habe ich versucht, oben im Haus anzurufen, aber da war andauernd besetzt. Und weil ich ja doch nichts weiter tun konnte, bin ich heimgefahren. Moira wusste, dass ich sowieso heute wieder nach Hause wollte, und würde sich bestimmt so bald wie möglich bei mir melden. Und dann hab ich um halb zehn im Radio gehört, dass sie tot ist.« Jetzt ließen sich die Tränen nicht mehr zurückhalten, in Strömen liefen sie ihr übers Gesicht.

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