90 Minuten Klassenkampf: Das Fußball-Länderspiel Bundesrepublik Deutschland - DDR 1974 (German Edition) by Blees Thomas

90 Minuten Klassenkampf: Das Fußball-Länderspiel Bundesrepublik Deutschland - DDR 1974 (German Edition) by Blees Thomas

Autor:Blees, Thomas [Blees, Thomas]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 2019-11-18T16:00:00+00:00


„Die DDR war absolutes Ausland“

Interview mit Paul Breitner

D er 1951 geborene Abwehr- und Mittelfeldspieler kickte von 1970-74 und 1978-83 für den FC Bayern München, zwischendurch für Real Madrid und Eintracht Braunschweig. Mit der Nationalmannschaft wurde er 1972 Europameister, 1974 Weltmeister und 1982 Vizeweltmeister.

Seit Breitner sich 1970 - mit der „Peking-Rundschau“ in der Hand - unter einem Mao-Poster ablichten ließ, hing ihm das Image des „roten Paul“ an. Als einer der wenigen Spieler, die 1974 gegen die DDR-Elf antraten, kannte er den anderen Teil Deutschlands aus eigener Anschauung.

Woran dachten Sie, als Sie von der Auslosung zur WM 1974 hörten, die beide deutschen Teams zusammenbringen sollte?

„Ich dachte mir sofort, dieses Spiel würde für einige peinlich werden, weil wir im Westen selten wussten, wie wir mit denen aus dem Osten umgehen sollten. Sollten wir sie bemitleiden, weil sie im „bösen, bösen Osten“ lebten oder ihnen lieber zehn Kilo Bananen schenken? Sollten wir sie verhätscheln, aufbauen oder bemitleiden? Wir hatten in all den Jahren einfach kein Gespür dafür, mit Leuten aus der DDR umzugehen. Das war eigentlich mein erster Gedanke.“

Was wussten Sie als Fußballer denn anno 1974 über die DDR?

„Wenn jemand wie ich in Bayern 1970 sein Abitur - noch dazu auf einem humanistischen Gymnasium - gemacht hat, dann hieß es für ihn, dass die Geschichte 1945 endet. Das heißt, der Geschichtsunterricht endete effektiv, in der 12. Klasse damals, im Jahr 1945, und es gab kein danach. Es gab keine Ostzone, es gab keine DDR. Und so gesehen, war oder ist für meine Generation, oder zumindest für einen Teil, die DDR immer das absolute Ausland gewesen. Überhaupt die Ostblockländer. Und wenn es immer hieß: „unsere Brüder hinter der Mauer“, dann hab` ich immer gesagt: Leute, was soll diese Farce? Unsere Brüder sind vielleicht die Österreicher oder Schweizer, oder wir wollen wieder mit den Franzosen zusammenwachsen. Wir haben kein Gespür, kein Gefühl für - und auch keine Beziehung - zu den Leuten in der DDR, außer denjenigen, die Verwandte drüben hatten. Und so gesehen war das Spiel gegen die DDR für mich und für viele andere ein Spiel, wie wenn wir gegen Japan gespielt hätten, gegen Russland oder gegen Tunesien oder egal wen. Ein ganz normales Länderspiel.

Waren Sie denn vor 1974 schon mal in der DDR gewesen, kannten Sie das Land aus eigener Erfahrung?

„Ja. Ich war 1969 das erste Mal in der DDR, damals beim UEFA-Jugendturnier. Heute würde man sagen, die U18 oder U19-Europameisterschaft. Wir haben damals unsere Spiele in Leipzig, in Plauen und in Altenstadt durchgeführt, und von daher bildete ich mir ein, ein Gespür dafür zu bekommen, wie man Sport verkauft drüben. Wie wichtig Sport ist, wie wichtig sportliche Erfolge sind, und wie man eben auch mit dem sportlichen Gegner umgeht. Der war oft wichtiger als der politische Gegner.“

Sie haben es gerade schon angesprochen: für die DDR waren sportliche Auseinandersetzungen mit der Bundesrepublik immer auch Begegnungen mit dem Klassenfeind. Haben Sie das zu spüren bekommen?

„Natürlich merkten wir, wie wichtig es ist, gegen den Klassenfeind Erfolge zu haben. Im Osten hatten wir fast -



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