711 N. Chr. - Muslime in Europa by Kay Peter Jankrift
Autor:Kay Peter Jankrift [Jankrift, Kay Peter]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783806225013
Herausgeber: Theiss
veröffentlicht: 2011-04-01T22:00:00+00:00
Hinterhalt bei Roncesvalles – blutiges Ende des spanischen Abenteuers
Paderborn, 777. Neugierig drehen sich die Menschen um und tuscheln miteinander. Solche Fremden haben sie hier in Paderborn noch nie gesehen. Gut, immer wenn der fränkische Herrscher Karl seiner Pfalz einen Besuch abstattete, kamen illustre Gäste, aber diese sind sonnenverbrannt und höchst eigentümlich gewandet. Die Fremden haben einen langen Weg hinter sich. Leider wissen wir nichts über die Dauer ihrer Reise, die Reiseroute oder mögliche Schwierigkeiten, die der arabischen Gesandtschaft unter Führung eines gewissen Sulaiman Ibn al-Arabi, Statthalter von Zaragoza, unterwegs begegneten. Auch ist nichts Näheres über die Abgesandten selbst bekannt, die 777 unvermittelt auf der Reichsversammlung zu Paderborn erschienen, doch wir kennen ihre Mission. Es ging darum, den Frankenherrscher zu einem Feldzug gegen das Emirat von Córdoba zu bewegen. Man mag sich fragen, wie die Araber ihr Anliegen vortrugen – in der westfälischen Provinz wird niemand des Arabischen mächtig gewesen sein. Oder gehörte der Gesandtschaft ein zum Islam übergetretener Christ an, der Latein beherrschte. Oder hatte die Delegation |74|einen jüdischen Dolmetscher bei sich. Juden, die als Fernhändler zwischen Morgen- und Abendland reisten, beherrschten oft viele Sprachen. Dass sie für wichtige diplomatische Missionen eingesetzt wurden, belegt nicht zuletzt die fränkische Gesandtschaft zum Abbasidenkalifen Harun ar-Raschid einige Zeit später, der auch ein Jude namens Isaak angehörte.
Wir wissen nicht, ob Karl sofort zusagte oder ob er zögerte, eine Intervention zu wagen. Immerhin galt es zunächst die sächsischen Angelegenheiten zu ordnen. Mit Blick auf den weiteren Verlauf des spanischen Abenteuers scheint es zumindest fraglich, ob die Franken die Gegebenheiten auf der Iberischen Halbinsel einigermaßen zutreffend einschätzten. Will man den überarbeiteten Reichsannalen glauben, machten die Araber allerdings ein verlockendes Angebot, das auf Karl so gewirkt haben dürfte, als sei eine Herrschaftserweiterung ohne großen militärischen Aufwand möglich: Sulaiman Ibn al-Arabi unterstellte die von ihm beherrschten Städte Barcelona und Gerona dem fränkischen Herrscher. Karls Motivation, sich auf eine militärische Unternehmung jenseits der Pyrenäen einzulassen, dürfte widerspiegeln, wenn die gleiche Quelle auf seine Hoffnung verweist, einige Städte der Iberischen Halbinsel einnehmen zu können. Bei diesem Unternehmen kam noch der religiöse Aspekt hinzu: Laut »Metzer Annalen« folgte Karl der Große einem Hilferuf der Christen, die vorgaben, unter dem Joch der Mauren zu leiden, was jedoch kaum die ganze Wahrheit sein dürfte, denn die Christen genossen unter muslimischer Herrschaft zwar nicht den gleichen Rechtsstatus wie die Muslime, doch durften sie ihre Religion unter einigen Auflagen ausüben. Für eine vollständige Teilhabe am gesellschaftlichen Leben bedurfte es des Überritts zum Islam. Zahlreiche Christen nutzten diese Möglichkeit. Diejenigen, die an ihrem althergebrachten Glauben festhielten, übernahmen im Laufe der Zeit zumindest die arabische Sprache im Alltag wie auch manche Lebensgewohnheiten der Muslime, so beim Bau ihrer Häuser, der Zubereitung der Speisen und der Wahl der Kleidung. Aus dieser Anpassung an arabische Verhältnisse resultierte die Bezeichnung Mozaraber, »Arabisierte«.
|75|Dass sich längst nicht alle Christen mit den neuen Machtverhältnissen auf der Iberischen Halbinsel arrangieren konnten, belegen Urkunden vom Beginn des 9. Jahrhunderts. Aus diesen Schriftzeugnissen geht hervor, dass Gruppen hispanischer Christen wegen ihrer Lebensbedingungen muslimisch beherrschtes Gebiet verlassen wollten.
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