59 - Das Eulenhaus by Agatha Christie

59 - Das Eulenhaus by Agatha Christie

Autor:Agatha Christie [Christie, Agatha]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 2012-04-02T21:56:08+00:00


15

Hercule Poirot wurde beim Genuss einer Tasse Schokolade am späten Vormittag vom Klingeln des Telefons unterbrochen. Er stand auf und nahm ab: »Allô?«

»Monsieur Poirot?«

»Lady Angkatell?«

»Wie nett, dass Sie meine Stimme erkannt haben! Störe ich Sie gerade?«

»Aber ganz und gar nicht. Und ich hoffe, es geht Ihnen gut, trotz der betrüblichen Ereignisse gestern?«

»Doch, ja. Betrüblich, wie Sie sagen, aber man fühlt sich doch nicht wirklich betroffen. Ich rufe an, weil ich gern wüsste, ob Sie eventuell herüberkommen könnten – ich weiß, eine dreiste Frage, aber ich bin wirklich in einer schlimmen Situation.«

»Aber gewiss, Lady Angkatell. Meinten Sie jetzt gleich?«

»Nun – ja, das meinte ich. So schnell Sie können. Wie lieb von Ihnen.«

»Aber nicht doch. Dann komme ich durch den Wald, ja?«

»Ach, ja natürlich – auf dem kürzesten Weg. Ganz herzlichen Dank, lieber Monsieur Poirot.«

Er nahm sich nur kurz Zeit, ein paar Staubkörnchen von den Rockaufschlägen zu bürsten und einen dünnen Mantel überzuwerfen. Dann überquerte er die kleine Straße und eilte den Weg durch die Kastanienschonung entlang. Das Schwimmbecken lag menschenleer da – die Polizei war mit den Ermittlungen dort fertig und wieder weg. Im weichen, dunstigen Herbstlicht sah es harmlos und friedlich aus.

Poirot warf rasch einen Blick in den Pavillon. Das Silberfuchscape war nicht mehr da, wie er bemerkte. Aber die sechs Streichholzschachteln standen noch immer auf dem Beistelltischchen. Die Streichhölzer fand er erstaunlicher denn je. »Das ist kein Ort, an dem man Streichhölzer lagert – in dieser Feuchtigkeit. Eine Schachtel für alle Fälle vielleicht – aber doch nicht sechs.«

Stirnrunzelnd sah er hinunter auf den lackierten Eisentisch. Das Tablett mit den Gläsern war weggeräumt. Und jemand hatte mit einem Stift auf dem Tisch herumgemalt – einen unheimlichen Baum, rasch hingekritzelt. Er tat Hercule Poirot richtig weh. Er kränkte seinen Sinn für Ordnung und Sauberkeit.

Er schnalzte mit der Zunge, schüttelte den Kopf und eilte weiter in Richtung des Hauses, neugierig, warum man ihn so dringlich gerufen hatte.

Lady Angkatell erwartete ihn bereits an der Terrassentür und zog ihn sofort in den leeren Salon. »Das ist wirklich ganz reizend von Ihnen, Monsieur Poirot.« Sie drückte ihm herzhaft die Hand.

»Madame – zu Ihren Diensten.«

Lady Angkatell rang dramatisch die Hände und riss ihre schönen Augen weit auf. »Ach, das ist ja wirklich alles nicht so leicht. Dieser Inspektor befragt, nein: verhört – vernimmt? Wie nennen die das noch gleich? Jedenfalls Gudgeon. Und von Gudgeon hängt hier doch praktisch das ganze Leben ab, deshalb fühlt man natürlich mit ihm. Für ihn ist das doch ganz furchtbar, von der Polizei verhört…, selbst wenn Inspektor Grange es persönlich macht, den ich wirklich sehr nett finde, das ist bestimmt ein Familienmensch – Söhne, möchte ich wetten, mit denen spielt er abends bestimmt mit dem Meccano-Baukasten – und seine Frau sorgt dafür, dass alles pieksauber ist, allerdings einen Tick zu voll gestellt…«

Hercule Poirot zwinkerte mit den Augen, während Lady Angkatell ihre Vorstellung von Inspektor Granges Familienleben skizzierte.

»Übrigens hängt sein Schnurrbart nach unten«, fuhr sie fort. »Ich finde ja, manchmal kann ein zu pieksauberes Zuhause auch deprimierend sein – wie Seife im Gesicht von Krankenschwestern.



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