36 by Der Geist der Vampirin

36 by Der Geist der Vampirin

Autor:Der Geist der Vampirin [Vampirin, Der Geist der]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 2011-07-01T08:58:38+00:00


»Was wird mit ihm geschehen?« fragte Salena. »Wird er verbrannt, wie er die Euren verbrannte?«

Diesmal erhielt sie keine Antwort. Als sie den Kopf zur Seite drehte, sah sie, daß ihr Gesprächspartner verschwunden war.

»Wo ist er?« wandte sie sich an den Nächststehenden.

»Wer?«

»Der hier stand.«

»Hier stand niemand«, erfuhr sie eine Lüge, wie sie dreister kaum sein konnte. »Aber du führst beständig Selbstgespräche. Was ist mit dir? Bist du hier –« Er tippte gegen seine Stirn, »– nicht ganz in Ordnung?«

Sie erzitterte. Quat, wisperte es in ihrem Erschrecken. Ich hätte nie damit anfangen dürfen …

In diesem Moment erschien Pyros durch das golden schimmernde Hauptportal der Kuppel, die in verkleinerter Form der Hagia Sophia nachempfunden war, jedoch, wie nicht anders zu erwarten, einem völlig gegenteiligen Kult diente.

Pyros’ Alter betrug, wie er Salena bei ihrem Höflichkeitsbesuch verraten hatte, 466 Jahre. Damit war er vom Hüter des Kelchs zufällig genau im Sterbejahr des Propheten Mohammed gezeugt worden.

Zum erstenmal machte Salena sich Gedanken, wie alt der Verwalter des Unheiligtums selbst sein mochte. Wer war er? Wer hatte ihn aus einem Menschenkind heraus geformt? Wer hatte den Kelch bedient, um sein Dasein zu erhöhen?

Sie war sicher, daß niemand die Herkunft des Hüters kannte oder je erfahren würde. Er blieb so mysteriös wie das Werkzeug, mit dem er von Sippe zu Sippe, von Stamm zu Stamm reiste.

War das Los, das Salena auf sich genommen hatte, schon von gewaltigen Strapazen gekennzeichnet – wie mußte erst seines beschaffen sein …?

Ihre schweifenden Gedanken bündelten sich erneut an Pyros, dessen faltige Haut davon zeugte, daß er – ob aus tatsächlicher Not oder Selbstkasteiung – Zeiten großer Abstinenz durchstanden haben mußte. Nichts anderes als allzu langer Blutverzicht konnte einem Unsterblichen in diesem Maße den Fluch der Zeit in die Haut mei

ßeln. Pyros’ weißes Haar verstärkte diese Vermutung noch. Und in seinen hellen Augen lag die Kälte von unglaublich vielen Wintern, die durch sie hindurch geströmt waren.

Salena war erstaunt und geehrt in einem, als das Oberhaupt der Byzanz-Sippe sich gemessenen Schrittes direkt zu ihr begab. Seine Augen glitzerten. Es blieb zunächst der einzige Hinweis darauf, daß er sich der Frau, die das Gastgeschenk erfuhr, dieser besonderen Hinrichtung beiwohnen zu dürfen, überhaupt erinnerte.

Salena verkrampfte innerlich. Schon die Nähe vergleichsweise junger und unerfahrener Vampire wirkte mitunter regelrecht lähmend auf sie – Pyros’ Aura war fast erstickend. Nicht einmal in nächster Nähe des Hüters hatte sie sich so gering gefühlt!

»Was hältst du von ihm?« flüsterte er Salena zu.

»Du tust recht mit ihm. Keine Verdammnis ist schrecklich genug, um seine Tat zu sühnen!«

»Ja«, nickte er. »Das glaube ich auch. Fangen wir also an …«

Er gab den beiden Virtuosen, die die magische Klaviatur des Richtmosaiks bedienten, das verabredete Zeichen.

Salena hatte schon früher an anderem Ort von Pyros’ Erfindung gehört. Aber nun sah sie, daß die Gerüchte in diesem seltenen Fall einmal nicht übertrieben. Sie gaben die Wahrheit ziemlich genau wieder.

Jeder Splitter des Bodenbelags im Zentrum der kopierten Hagia, jedes winzige Mosaiksteinchen dort unter den nackten, bereits mit glühenden Eisen gebrandmarkten Füßen des Mönchs war mit etwas angereichert, das durch kurze, gezielte Impulse vampirischer Magie geschürt und zur Entfaltung gebracht werden konnte.



Download



Haftungsausschluss:
Diese Site speichert keine Dateien auf ihrem Server. Wir indizieren und verlinken nur                                                  Inhalte von anderen Websites zur Verfügung gestellt. Wenden Sie sich an die Inhaltsanbieter, um etwaige urheberrechtlich geschützte Inhalte zu entfernen, und senden Sie uns eine E-Mail. Wir werden die entsprechenden Links oder Inhalte umgehend entfernen.