22 by Ausgeliefert!
Autor:Ausgeliefert! [Ausgeliefert!]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 2011-07-01T08:58:14+00:00
»Hat Dr. Romano das angeordnet?«
Sie nickte zögernd.
»Ich verstehe«, sagte er bitter. »Und um sich erkenntlich zu zeigen, hat er Ihnen gleich einen kleinen Sonderurlaub gewährt. Natürlich auf Kosten der Klinik. Hat er Ihnen außerdem auch eine Gehaltserhöhung angeboten?«
Sein anklagender Tonfall traf sie sichtlich. Sie wandte sich ab, ging zum Fenster und sah hinaus. Nur ihre zuckenden Hände verrieten, wie es in ihr aussah.
»Bitte, Doktor! Sie verstehen das nicht. Sie verdienen so gut, daß Sie meine Sorgen kaum nachvollziehen können. Oder glauben Sie vielleicht, ich würde gerne in einer Gegend wie dieser wohnen?«
»Aber … Ihr Gehalt kann doch nicht so gering sein, daß Sie sich nicht …«
»Sicherlich«, fiel sie ihm ins Wort. »Die St. Margarete’s Clinic zahlt nicht schlecht. Mehr als jedes vergleichbare Krankenhaus, ich weiß.
Aber von dem Geld bleibt mir kaum mehr als die Hälfte. Den Rest überweise ich Monat für Monat an ein Altenpflegeheim in Melbourne. Meine Mutter lebt dort. Seit ihrem schweren Schlaganfall vor acht Jahren schon. Seitdem ist sie rund um die Uhr pflegebedürftig.
Und jedes Wochenende fahre ich zu ihr und kümmere mich selbst um sie.«
»Tut mir leid. Das wußte ich nicht.«
»Natürlich nicht! Niemand in der Klinik weiß es.« Sie wandte sich abrupt um, und in ihren Augen schimmerte es feucht. »Was ist also unrecht daran, wenn ich diese Chance nicht ungenutzt an mir vorbeiziehen lasse? Zumal ich nichts anderes zu tun habe als zu schweigen. Warum sollte ich ausnahmsweise nicht auch einmal ein bißchen Glück haben? Ich will ja nicht viel. Nur ein wenig mehr für mich.
Damit ich mir den einen oder anderen Wunsch erfüllen kann. Von Zeit zu Zeit ein neues Kleid. Oder einmal im Monat ausgehen. Ein bißchen Spaß haben. Das würde mir schon genügen.« Sie sah ihn eindringlich an. »Sagen Sie mir, Doktor, was ist so unrecht daran?«
Er wußte keine Antwort darauf und schwieg.
»Also stellen Sie mir bitte keine weiteren Fragen«, bat sie ihn eindringlich. »Und gehen Sie.«
Er nickte und wandte sich zum Gehen.
»Bitte, Doktor!« rief sie ihm hinterher. »Seien Sie mir nicht böse.
Bitte verstehen Sie mich. Ich kann nicht anders.«
Er wandte sich um und zwang sich zu einem versöhnlichen Lächeln.
»Nein, Schwester Mayfield, ich bin Ihnen nicht böse. Ganz im Gegenteil. Ich bin Ihnen sogar dankbar.«
»Dankbar?« Sie sah ihn verständnislos an. »Wofür?«
»Dafür, daß Sie mir gerade etwas klargemacht haben. Daß ich diese Sache nämlich alleine durchzustehen habe. Ganz alleine.«
»Ich weiß zwar nicht, worum es geht, und ich möchte es auch gar nicht wissen. Aber eines wünsche ich Ihnen: Viel Glück!«
»Danke. Ich glaube, das kann ich brauchen.« Und zwar mehr als je zuvor, fügte er in Gedanken hinzu. Zumal er selbst nicht genau wußte, was er eigentlich wollte. Er wußte nur, daß es mit der jungen Frau zu tun hatte.
Unten vor der Haustür blieb er stehen und schüttelte den Kopf.
Eine dumme Idee hierherzukommen. Was hatte er sich nur davon versprochen?
Er wartete eine Zeitlang auf ein vorbeifahrendes Taxi, und als keines kam, beschloß er, sich zu Fuß auf den Heimweg zu machen. Die frische Luft würde ihm guttun.
Und vielleicht brachte sie ihn ja auch auf andere Gedanken.
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