2011 - komplett by 3 Romane

2011 - komplett by 3 Romane

Autor:3 Romane [Romane, 3]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 2011-11-28T15:57:08+00:00


5. KAPITEL

Dank der Fähigkeit, seine wahren Gefühle zu verbergen – ein Talent, das er im Lauf der Jahre gezwungen gewesen war, bis zur Vollkommenheit auszubilden –, wusste Sebastian, dass alle glauben mussten, er genieße das lukullische Weihnachtsmahl. Er lächelte höflich und unterhielt sich leutselig, während er sich vom Gänsebraten, dem Yorkshire-Pudding, den Kartoffeln, dem frisch gebackenen Brot und den zarten Erbsen nahm. Insgeheim allerdings waren die Anspannung und die Verzweiflung, die ihn seit seiner Begegnung mit Addie gestern Abend fest im Griff hielten, zu einem fast unerträglichen Ausmaß angewachsen.

Den ganzen Morgen, während die Geschenke geöffnet wurden, und später während des Weihnachtsgottesdienstes in der St.-Peter’s-Kirche, hatte er sich danach gesehnt, mehr als nur höfliche Floskeln mit Addie auszutauschen. Aber was sollte er ihr sagen? Ich begehre dich so sehr, dass ich an nichts anderes denken kann? Ich liebe dich so sehr, dass es wehtut? Wenn ich dich gestern Abend geküsst hätte, glaube ich nicht, dass ich hätte aufhören können?

Der Himmel mochte ihm beistehen, aber er hatte sich noch nie etwas so sehr gewünscht wie einen Kuss von Addie. Er hätte nicht auf sie achten sollen, als er sie an der Tür bemerkt hatte. Stattdessen hatte er, wie so oft schon während ihrer Kindheit, sie zu einem Spiel herausgefordert. Schließlich waren sie Freunde und bald durch Heirat miteinander verwandt – sobald Evan dazu kam, um sie anzuhalten. Was sollte schon so schlimm daran sein, wenn sie sich mit einem harmlosen Billardspiel die Zeit vertrieben?

Aber Sebastian wusste natürlich, dass er sich selbst belog. Keine Situation, in der er mit Addie allein war, konnte harmlos genannt werden, weil er sich mit Leib und Seele nach ihr verzehrte. Ihr Anblick im Morgenrock hatte ihn dann auch fast die Kontrolle verlieren lassen, obwohl sie ihn züchtig bis zum obersten Knopf geschlossen hatte. Sebastian gelang es nicht, auf seine innere Stimme zu hören, die ihn davor warnte, wie falsch er sich verhielt, wie unangemessen und gefährlich.

Und dann hatten sie den Mistelzweig entdeckt. Sebastian hätte schwören können, dass bei seinem Hereinkommen keiner da gewesen war, aber er musste sich offensichtlich geirrt haben. Impulsiv hatte er beschlossen, den seltsamen Umstand als gutes Omen zu deuten. Es verlangte ihn so sehr danach, Addie zu küssen, und plötzlich entdeckte er die vollkommene Ausrede dafür genau über ihren Köpfen. Und wieder hatte er sich belogen – eine wirklich üble Angewohnheit – ein Kuss unter dem Mistelzweig sei lediglich eine alte Weihnachtstradition. Sicher war es für Addie auch wirklich nicht mehr als das, und woher sollte sie auch wissen, dass dieser Kuss ihm alles bedeuten würde.

Ein bitteres Gefühl erfüllte ihn beim Gedanken an ihren halb entsetzten, halb bekümmerten Gesichtsausdruck, kurz bevor sie davonlief. Hatte er es doch nicht so gut geschafft, seine Gefühle zu verbergen? Hatte sie schließlich erkannt, wie sehr er sie begehrte? Alles deutete darauf hin, und dennoch war sie heute den ganzen Tag freundlich zu ihm gewesen. Nichts in ihrem Verhalten ließ ihn fürchten, sie könnte verunsichert oder böse auf ihn sein. Insgeheim hoffte er, dass ihre plötzliche Flucht von



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