1945 bis heute, die globalisierte Welt - Geschichte der Welt by C.H.Beck

Autor:C.H.Beck [C.H.Beck]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 2014-09-19T04:00:00+00:00

4. KALTER KRIEG UND UMWELTKULTUR

Wer den Kalten Krieg anzettelte und wann, ist eine Frage, über die Historiker – wie schon die kalten Krieger vor ihnen – weiterhin streiten; in groben Zügen ist es allerdings recht einfach. Während des Zweiten Weltkriegs oder kurz danach kam es zwischen den siegreichen Alliierten zum Zerwürfnis, und bald darauf waren sie Feinde. Stalins Sowjetunion sowie ihre osteuropäischen Satelliten bildeten über weite Teile Eurasiens einen Block, der sich von der Elbe bis nach Wladiwostok erstreckte. Die USA formten eine gegnerische Koalition, größer, doch auch weniger kompakt; zu ihr gehörten Verbündete aus Europa, insbesondere Großbritannien und Westdeutschland, im Nahen und Mittleren Osten, namentlich Iran und die Türkei, sowie in Ostasien, allen voran Japan. Die wichtigsten Schauplätze des Kalten Kriegs waren im Großen und Ganzen dieselben wie im Zweiten Weltkrieg, nämlich Europa und Ostasien. Zweifellos barg der Kalte Krieg viele gefährliche Momente, und manche politischen Manöver schienen damals geradewegs in eine Katastrophe zu führen, doch letztlich bemerkenswert ist die Stabilität, die er brachte, vor allem nach 1949, als der Sieg Mao Zedongs und der Kommunisten im chinesischen Bürgerkrieg die Frage erledigte, auf welche Seite sich das bevölkerungsreichste Land der Erde schlagen werde.

Es war eine Stabilität zwischen bewaffneten und weiter aufrüstenden Blöcken, denn eines der wichtigsten Merkmale des Kalten Kriegs war die fortgesetzte Militarisierung. In der bisherigen Geschichte der Neuzeit hatten Staaten nach Kriegen in der Regel ihre Militärausgaben drastisch reduziert, aufgehört, weiterhin Kriegsgerät anzuhäufen, und ihre Streitkräfte demobilisiert. Die USA und die UdSSR taten das nach 1945 nur für einen kurzen Augenblick. Im Kalten Krieg dann verharrten die Militärausgaben der Großmächte jahrzehntelang auf Rekordniveau. Gewaltige militärisch-industrielle Komplexe wurden unterhalten, gehegt und gepflegt, und die Rüstungsausgaben wuchsen in den Himmel. Voraussetzung dafür war fraglos der spektakuläre Wirtschaftsboom der Jahre 1945 bis 1973. In der Sowjetunion entfielen während des Kalten Kriegs auf das Militär an die 40 Prozent der industriellen Produktion; allein der Bau von Atomwaffen verschlang ein Zehntel der weltweit gewerblich erzeugten Strommenge.[203]

Der Kalte Krieg rechtfertigte zudem – zumindest nach zeitgenössischer Meinung – den unerschrockenen Einsatz von Investitionen, Arbeitskräften und Planungsressourcen in gigantischen staatlichen Infrastruktur- und Entwicklungsprojekten. So bewilligte etwa die US-Regierung 1956 unerhörte Summen für das größte Straßenbauprogramm der Welt, den Bau der Interstate Highways, eines nationalen Autobahnnetzes, das in gigantischem Ausmaß in die Landschaft eingriff, die Suburbanisierung beschleunigte, die Lebensräume wildlebender Tiere dauerhaft veränderte und vieles andere mehr. Die Entscheidung erfolgte – wie das meistens der Fall ist – aus einem Bündel von Motiven heraus, doch nicht zuletzt ging es darum, auf den erwarteten Krieg mit der UdSSR vorbereitet zu sein.[204] Maos China lancierte 1958 eine Kampagne, um binnen weniger Jahre die britische und US-amerikanische Industrieproduktion zu überholen, ein ebenso verzweifeltes wie abenteuerliches Unterfangen, das als Großer Sprung nach vorn bekannt wurde; 1964 begann das Land den Aufbau eines neuen militärisch-industriellen Komplexes aus dem Nichts. Nach dem chinesisch-sowjetischen Bruch begann die Sowjetunion ihrerseits, eine zweite Bahnlinie durch Sibirien zu bauen. Die Streckenführung in größerer Entfernung zur chinesischen Grenze als die alte Transsibirische Eisenbahn sollte eine sichere Verbindung zu den Häfen an der Pazifikküste schaffen.

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